Teil 1 – Wirtschaftlich war die Welt unserer Vorfahren bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von der Landwirtschaft geprägt. Wer Arbeit suchte, fand sie vorwiegend im bäuerlichen Bereich. Die konkurrenzlose Dominanz der bäuerlichen Wirtschaft führte zu gewaltigen Nachteilen, unter denen vor allem die ländliche Bevölkerung zu leiden hatte.
Dazu zählten die niedrigen Löhne, die Lebensverhältnisse, wie wir sie heute kennen und gewohnt sind, nicht zuließen. Die bei Bauern arbeitenden Dienstboten litten nicht nur an Geldmangel, sondern hatten auch die damit zusammenhängenden Folgen zu tragen, zu denen es etwa gehörte, dass der Bauer die Lebensumstände seines Gesindes bis ins Kleinste bestimmte. Dass es nicht immer und überall so war, zeigt sich, wenn man andere Wirtschaftszweige, wie etwa den Bergbau, zum Vergleich heranzieht. Diesbezüglich eignet sich das Kupferbergwerk von Prettau ganz besonders, da es einmal über 500 Jahre in Betrieb war und über Archivbestände verfügt, die fast die gesamte Zeit abdecken. Im folgenden Abschnitt wird zunächst versucht, die vielfältigen beruflichen Strukturen des Bergbaus wiederzugeben, damit dann einzelne Aspekte vergleichend vertieft werden können.
Ahrner Handel
Die Bezeichnung „Ahrner Handel“ kam für das Kupferbergwerk von Prettau erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Vorher war allgemeiner vom „Bergwerkshandel“ die Rede. Der neue Name wurde im Ahrntal sehr schnell angenommen, bald arbeitete man nicht mehr beim Bergwerk, sondern „beim Handel“. Die Initialen AH zieren nicht nur Karten und Schriftstücke, Möbel und Öfen, sondern auch Gebäude vor allem in Steinhaus und in Prettau. Das AH wurde zum Firmenlogo.
Erzfinder
Erfahrene Erzsucher verließen sich vor allem auf die Beobachtung der Natur. Der Pflanzenwuchs und die Beschaffenheit des Wassers lieferten wertvolle Hinweise auf Erzlager im Boden. Gelegentlich bedienten sie sich auch der Wünschelrute. Die Sage über den Erzfund in Prettau berichtet, dass ein Stier durch das Scharren am Boden das erste Kupfererz zu Tage förderte. Sie bestätigt damit, dass Erzlagerstätten oft durch Zufall entdeckt wurden. Im 15. und im 16. Jahrhundert wurde dann ganz Tirol systematisch nach Erzvorkommen abgesucht. Als „Ausbiss“ wird jene Stelle bezeichnet, wo Erz an die Oberfläche tritt. Eine neu entdecktes Erzvorkommen hieß „Neuschurf“.
Häuer
Die Knappen wurden Häuer genannt. Sie sorgten für den Vortrieb der Stollen und Schächte und die Gewinnung des Erzes. Beides war Handarbeit. Die wichtigsten Werkzeuge waren Schlägel und Eisen. Das Eisen, ein Meißel mit Stiel, wurde auf das Gestein aufgesetzt und mit dem Schlägel angetrieben. Diese Arbeit war zwar sehr anstrengend, wurde aber gut bezahlt.
Die Häuer arbeiteten meist in der Gruppe der Lehenschaft zusammen und übernahmen den Abbau einer bestimmten Grube oder den Vortrieb eines bestimmten Stollenteilstückes im Akkord.
Bergrichter
Die besonderen Privilegien und Freiheitsrechte der Bergleute und die sehr komplizierten Rechtsverhältnisse in den Bergwerken führten dazu, dass eigene Bergrichter eingesetzt wurden. Sie waren für Schürfgenehmigungen, Abgrenzungen der Gruben, Arbeitsaufsicht, Auslegung der Berggesetze und Kontrolle der Abgaben an den Landesherrn. zuständig. Das Berggericht Taufers wurde nur wegen des Bergwerkes in Prettau eingerichtet. Von 1545 an war der Sitz des Bergrichters in Mühlegg in St. Johann.
Der Einfahrer oder Schichtmeister
Der Einfahrer kontrollierte das gesamte Bergwerk. Er hielt vor allem Kontakt zu den Hutleuten und achtet darauf, dass sowohl die geltenden Bergordnungen eingehalten als auch gemäß den bei den jeweiligen Hinlassfesten zwischen Gewerken und Knappen abgeschlossenen Verträgen gearbeitet wurde. Lange erfüllte der Einfahrer in Prettau auch die Aufgaben des Schichtmeisters und überwachte die Einhaltung der Arbeitszeiten am Berg. Im 19. Jahrhundert sind dann diese zwei als die einzigen Bergoffiziere genannt.
Verweser
Der Verweser war der Verwalter des Bergwerkes vor Ort. Er wohnte in Prettau im Verweserhaus (heute „Luggiler“) in unmittelbarer Nähe des Bergwerkes. Bei ihm liefen alle Fäden zusammen. Der Einfahrer, der die Oberaufsicht über das Bergwerk hatte, meldete ihm Erträge und gearbeitete Schichten, die der Verweser dann an den Faktor in Steinhaus und den Bergrichter weitergab. Zugleich hatte er die Weisungen auszuführen, die von den Gewerken über den Faktor an ihn ergingen.
Erzscheider
Die Aufgabe der Erzscheider war es, taubes Gestein vom Erz zu trennen und das Erz zu sortieren. Zu diesem Zwecke zerkleinerten die Scheider das Erz mit einem Hammer, dem „Scheiderfäustl“. Das Erz wurde in einem eigenen Raum bis zum Winter gelagert, das taube Gestein blieb am Berg und kam auf die Halde vor dem Stollenmundloch. Die Scheider übten ihre Tätigkeit vorwiegend in den Scheid- oder Kramstuben vor den Stollenmundlöchern aus. Die Arbeit galt als relativ leicht und war daher den älteren Knappen vorbehalten. Nach den Abbildungen aus Georg Agricolas „De re metallica“ aus dem 16. Jahrhundert wurde diese Arbeit – als eine von wenigen – auch von Frauen ausgeführt.
Erzzieher
Die Erzzieher beförderten das Erz im Frühwinter auf Schneebahnen von den Gruben am Berg zu den Magazinen im Tal, den sogenannten „Erzhöfen“. Das Erz wurde in Säcke verpackt, die entweder aus Schweinshäuten genäht waren oder aus mit Schweinshaut verstärktem Sackzwillich. Lange zogen die Zieher einen großen Sack, der sechs Kübel Erz fasste. Ab dem 17. Jahrhundert wurde diese Last auf mehrere Säcke verteilt und so die Erzmenge pro Fahrt verdoppelt.
Erzführer
Die Erzführer beförderten das Erz von Prettau zu den Schmelzhütten im äußeren Ahrntal. Diese Arbeit wurde größtenteils im Winter mit Hornschlitten durchgeführt. Jeder Erzführer zog eine Ladung Erz, die zwischen 400 und 500 kg wog und in einer Penne oder einer Truhe auf dem Hornschlitten lag. Wenn die Straße schneefrei war, wurden Fuhrwerke eingesetzt, was aber den Transport verteuerte. Das Erzführen war den Bauern des Ahrntales und ihren Dienstboten vorbehalten. Wenn die Erzfuhr erledigt war, wurden die Fuhrleute zum Kohleführen eingesetzt. Beide Fuhrdienste wurden über die Ausgabe von Politten kontrolliert und abgerechnet.
Truhenläufer
Die „Truhenläufer“ gehörten wie die „Haspler“ zu den „Fürdernusknechten“, die mit dem Erztransport im Berg befasst waren. Die Truhenläufer sorgten für den horizontalen Transport, indem sie das Erz in die schmalen Truhen oder „Hunte“ verluden, die sie dann auf dem „Gestänge“ (= hölzerne Geleise) durch die engen Stollen schoben. Sie wurden auch „Huntstößer“ genannt.
Faktor
Der Faktor war der Vertreter der Gewerken und als solcher der Chef der Bergwerksverwaltung im Tal. Er war für die gesamte Arbeit im und um das Bergwerk verantwortlich. Ein Buchhalter und mindestens ein Schreiber standen ihm zur Seite.
Sitz der Verwaltung war das Faktorhaus in Steinhaus (heutiges Rathaus). Der Faktor unterstand dem Verwesamt in Bruneck, das in einem Hause in der Oberstadt untergebracht war. Von dort aus wurde vor allem der Kupfer- und der Pfennwerthandel (= Handel mit jenen Waren, die die Knappen statt des Geldlohnes bekamen) koordiniert und die Gesamtgebarung des Bergwerkes überwacht.
Die Focher
Die Focher waren für die Versorgung der Gruben mit Frischluft zuständig. Dazu verwendeten sie in Prettau mit Menschenkraft angetriebene Blasbälge. Durch hölzerne oder kupferne Röhren wurde Luft in den Berg gepumpt. Oft behalf man sich auch mit sogenannten Wetterlutten oder Wetterscheidern am Stollenfirst. Das waren am First verlaufende, mit Holz abgeteilte Kanäle, die die Luft im Stollen besser zirkulieren ließen. Manchmal wurde dieser Luftzug durch Blasbälge verstärkt.
Die Gewerken
Die Bergbauunternehmer wurden „Gewerken“ genannt. Am Beginn der Bergwerke war der dem Erz nachgrabende Finder Arbeiter und Unternehmer zugleich. Als mit dem Wachsen der Betriebe größere Investitionen notwendig wurden, kam es zur Trennung zwischen Unternehmertum und Arbeit. Die Bezeichnung „Gewerke“ ging auf den Unternehmer über. Das Bergwerk von Prettau war ab der Mitte des 16. Jahrhunderts fast durchwegs in der Hand eines einzelnen Unternehmers oder einer Gesellschaft.
Ahrner und Tauferer Gewerken
Wenn irgendwo ein Erzvorkommen entdeckt wurde, waren es zunächst Leute aus der näheren Umgebung, die ihre Arbeitskraft und ihr Geld in die Errichtung eines Bergwerkes investierten. Wir kennen die frühen Gewerken des Prettauer Bergwerkes nicht. Unter denen, die um 1500 namentlich genannt werden, stammen relativ viele aus Taufers (Sand, Mühlen, Kematen) und nur wenige aus dem Ahrntal selbst.
Brunecker Gewerken
Die Bürger der Städte waren mit ihrem durch Handel erworbenen Kapital den Bauern und Gewerbetreibenden auf dem Lande überlegen. Ein Beispiel dafür war die Brunecker Kaufmannsfamilie Mor, die in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts als Prettauer Gewerken aufscheinen. Gabriel, Caspar, Paul und Hieronymus Mor fungierten als Gewerken oder Faktoren. Zu dieser Zeit entstanden auch die Wappenfresken der Trinkstube in der Brunecker Stadtgasse.
Tiroler Gewerken
Um im Bergbau reich zu werden, war vor allem Glück vonnöten. Im Laufe des 15. Jahrhunderts schafften einige Tiroler Familien den Sprung vom Kleinunternehmen zum reichen Gewerken. In Prettau treffen wir die Schwazer Unternehmer Veit Stöckl und Veit Jakob Tänzl, etwas später dann die Freiherrn von Welsperg, die Freiherrn und späteren Grafen von Wolkenstein-Rodenegg und ab 1676 die Freiherrn von Sternbach sowie die Grafen von Tannenberg. Die Grafen von Enzenberg übernahmen das Bergwerk 1847 und führten es bis zu seiner Einstellung im Jahre 1893.
Grubenzimmerer
Für die Absicherung der Gruben hatten in erster Linie die Grubenzimmerer zu sorgen. Vor allem das Abstützen der Stollen und Schächte, die für den Abbaubetrieb offen bleiben mussten, war ihre Aufgabe. Auch die Verlegung der hölzernen Geleise und der Rinnen für die Zementkupferproduktion war Zimmermannsarbeit.
Haspler
Die Haspler gehörten wie die Truhenläufer zu den „Fürdernusknechten“, die mit dem Erztransport im Berg beauftragt waren. Sie beförderten das in Kübel gefüllte Erz mit dem Haspel, einer einfachen, handgetriebenen Winde, senkrecht aus dem Berg. Die Tätigkeit des Hasplers wie auch die des Truhenläufers waren Einstiegsberufe in den Bergbau und sind als Lehrberufe zu betrachten. Dementsprechend gering war auch der Lohn.
Probierer
Der Probierer untersuchte das Erz, bestimmte seinen Erzgehalt, legte das Schmelzverfahren fest und verfeinerte es laufend. Sein Bergwerkslaboratorium wurde „Probiergaden“ genannt. In Prettau ist um die Mitte des 17. Jahrhundertes erstmals ein eigener Probierer genannt. Vorher holte man sich wohl fallweise Probierer von auswärts. Der Probierer gehörte mit dem Bergrichter, dem Schiner und dem Bergverweser zu den Amtsleuten.
Hutmann
Der Vorarbeiter einer Gruppe von Arbeitern wurde Hutmann genannt. Sie mussten nicht nur im Stande sein, fachgerecht arbeiten zu lassen, sondern sollten auch geschickt im Umgang mit den Arbeitern sein. Ihrer Verantwortung entsprechend lag der Lohn der Hutleute etwa 20 Prozent über dem der ihnen untergebenen Arbeiter, aus denen sie von den Gewerken ausgewählt wurden. (RT)
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