„Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann nicht überholt werden.“
Arbeiten in der Antarktis: Christian Mitteregger war Techniker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Der 39-Jährige ist fasziniert von der weißen Wüste und von den menschlichen Herausforderungen am südlichsten Punkt der Welt.
Wie kamen Sie zu diesem Job?
Ich war früher etliche Jahre als Pistenraupenfahrer tätig. Durch die Herstellerfirma Prinoth erhielt ich dann die Einladung, die Ski-Alpin-Pisten für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi zu präparieren. Und bereits die Saison vor der Olympiade war ich dort. In Sotschi erzählte mir ein Kollege von der Arbeit in der Antarktis. Ich bewarb mich beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und wurde prompt engagiert. Das erste Mal war ich 2015/16 in der Antarktis und vergangenen Oktober bis diesen März zum zweiten Mal, also im antarktischen Sommer, wenn die Sonne nie untergeht.
Erzählen Sie uns von Ihrer Arbeit in der Antarktis…
Jeder Tag erwartet dich, mit immer wieder neuen spannenden Herausforderungen. Der Arbeitstag dauert von 8 bis 18 Uhr mit Pausen zwischendurch, da die Arbeit im Freien wegen der Kälte doch recht anstrengend ist. Als Techniker war mein Aufgabenbereich riesig, von der Wartung oder Reparatur der Maschinen und Stationen bis zur Versorgung derselben und der wissenschaftlichen Teams. Geräte und Vorräte werden etwa zweimal pro Saison mit dem Schiff angeliefert. Von der Anlegestelle gilt es dann, mit Pistenraupen die Sachen zur 20 Kilometer entfernten Neumayer-Station III, dem Hauptstützpunkt, zu liefern. Im Langzeitlaboratorium Neumayer III wird Magnetik-, Seismik-, Spurenstoff- und Akustikforschung betrieben, aber auch Tierforschung. Und dann müssen Versorgungszüge zur kleineren Kohnen-Station im Landesinneren zusammengestellt werden. Kohnen dient als logistische Basis für Eisbohrungen, wodurch man sich Einblick in das Klima der letzten Jahrtausende erwartet. 3000 Meter tiefe Kernbohrungen und Eisproben wurden entnommen und man stieß auf ca. 400.000 Jahre altes Eis. Man will nun weiterforschen und noch älteres Eis anbohren, um weitere Einblicke in die Klima- und Wettersituationen unseres Planeten zu gewinnen.
Was waren die größten Herausforderungen?
Für die Fahrt nach Kohnen werden so genannte Traversen zusammengestellt, 6 Pistenraupen, an denen mehrere Schlitten mit Wohn- und Proviantcontainern sowie Container mit Treibstoff, medizinischer Ausrüstung, Stromgeneratoren und diversem anderen Inhalt angehängt sind, ca. 200 Tonnen an Ausrüstung. Zur Kohnen-Station sind es etwa 800 Kilometer Richtung Südpol, man ist rund zehn Tage unterwegs. In diesem Jahr brauchten wir länger, da ein Schneesturm mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde sechs Tage lang unser Weiterkommen unmöglich machte. Das Schlimmste ist das Whiteout bei Sturm oder Nebel, du verlierst komplett die Orientierung, jedes Gefühl für einen Horizont. Gefährlich sind Gletscherspalten, weshalb man sich bei der Routenführung nicht allein auf das GPS verlassen darf. Dann galt es die Kohnen-Station, welche nur im antarktischen Sommer geöffnet ist, von den Schneeverwehungen des Winters zu befreien und in Betrieb zu nehmen. Auch musste ich Landepisten anlegen, da die Wissenschaftler, welche immer wieder wechseln, mit einem kleinen Flieger anreisten. Kohnen liegt auf 2900 Meter Höhe, im antarktischen Sommer ist es dort bis zu minus 30 Grad kalt, im Winter bis zu minus 60. Zu schaffen macht anfangs auch der reduzierte Sauerstoffgehalt der Luft, wodurch sich auch Höhenkrankheiten ergeben können; es ist aber immer ein Arzt im Team. Nach je zwei Stunden Arbeit im Freien bist du erschöpft und froh, Pausen im warmen Container machen zu können. Freie Arbeitstage gibt es nicht, auch am Wochenende wird gearbeitet. Aber das ist kein Problem. Die Arbeit ist abwechslungsreich und macht Spaß, weil sie jeden Tag Neues bringt.
…und was sind die schönsten Seiten der Antarktis?
In der Antarktis kommst du zurück zu den Wurzeln, weg von Hektik und Getriebenheit unserer schnelllebigen Gesellschaft. Man lernt wieder runterzufahren, und einfach im Augenblick zu leben. Du schaltest ab, auch wenn die Arbeit hart und beschwerlich ist. An der Küste bei Neumayr III siehst du glitzernde Eisberge in einem tiefblauen Wasser und Kolonien von tausenden Pinguinen und Robben, du beobachtest Wale, und Skuas begleiten dich bis ins Landesinnere. Es ist eine wunderschöne Landschaft und ein faszinierendes Licht in irisierenden Varianten. Am Eindruckvollsten ist das Licht abends. Ich machte unzählige Fotos, aber die Stimmung kannst du leider nicht in Bildern festhalten. Auf Halbweg nach Kohnen liegt das Kottas-Gebirge, eines der landschaftlichen Highlights. Und dann die malerischen Sastrugis, vom Wind geschliffene Rillen im Schnee. Immer wieder endlose, weiße Weite und diese Stille. Du hörst nur dich. Und vielleicht den Wind.
Was machen Sie im Sommer?
Ich bewirtschafte einen Bauernhof, den ich von meinem Großvater übernommen habe und betreibe vorwiegend Jungvieh-Aufzucht, auch Ferienwohnungen haben wir.
Werden Sie wieder in die Antarktis reisen?
Sicher, vielleicht auch zu einer Forschungsstation einer anderen Nation. Ich mag es Neues kennenzulernen, es ist wie Fernweh. Mich reizen neue Herausforderungen. Ich erhielt z.B. auch Anfragen zur Pistenpräparierung bei der Olympiade in Korea, musste aber leider absagen. Mal schauen, was sich bei Olympia 2022 in China tut. (IB)
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