Sieglinde Künig Mittermair aus Lappach

Wer geht – wer bleibt?
25. Oktober 2019
Die Wirtschaft in Welsberg-Taisten
25. Oktober 2019
Alle anzeigen

Sieglinde Künig Mittermair aus Lappach

„Gib nie auf, das Leben hält immer wieder gute Momente für dich bereit!“

 

Zu Allerheiligen gedenken wir unserer verstorbenen Lieben. Es ist eine Zeit, die uns die Endlichkeit des Seins in verstärktem Maße aufzeigt. Sieglinde Künig ist täglich damit konfrontiert, die 49-Jährige arbeitet in einem Brunecker Bestattungsunternehmen.

Wie kamen Sie zu dieser Arbeit?
Eine lange Zeit arbeitete ich in einem Datenverarbeitungsbetrieb. Mir schwebte aber immer schon vor, mich mehr für Menschen einzubringen und so nahm ich die Chance dieser Arbeit in einem Bestattungsunternehmen gerne wahr. Und ich merke jetzt, mit diesem Beruf angekommen zu sein, wo ich mich verwirklichen kann. Ich wickle sämtliche Angelegenheiten ab, die im Zuge einer Bestattung erforderlich sind. Das beginnt mit dem Erstgespräch mit den Angehörigen, der Gestaltung von Parten, dem Aufbahren und endet mit der Bestattung. Es ist für mich eine sehr befriedigende Aufgabe. Am meisten jedoch erfüllen mich die Seelenrosenkranzgebete.

Wie kann man sich das vorstellen?
Jeder Trauerfall ist ein gravierender Einschnitt in eine Familiengemeinschaft, umso mehr, wenn Personen von einem Tag auf den anderen mitten aus dem Leben gerissen werden. Mir ist es in jedem Fall wichtig, die passenden Worte des Trostes zu finden. So gestalte ich den Seelenrosenkranz nicht mehr in der klassischen Form, sondern untermale ihn mit Musik, mit Worten zur Person und mit eigenen Texten, um individuell auf den Verstorbenen einzugehen; somit ist auch jedes Rosenkranzgebet verschieden und nicht die übliche Form der Litanei.

Sind Rosenkranzgebete noch aktuell?
Sie sind sogar sehr aktuell, auch bei älteren Leuten, die die übliche Form des Rosenkranzgebetes gewohnt sind. Mit der Art und Weise meiner Gebete können sie sich sehr wohl identifizieren, und sogar jene, die mit der Religion wenig anfangen können. Meine Erfahrung zeigt mir, dass die Menschen teilweise ein Problem mit der Kirche an sich haben, nicht jedoch mit der Religion, nicht mit dem Glauben. Mit meinen Rosenkranzgebeten will ich den Hinterbliebenen und den Mitbetern gute Worte auf ihren eigenen Lebensweg mitgeben. Wenn sie ein einziger guter Gedanke über das Gebet hinaus begleitet, habe ich mein Ziel schon erreicht.

Gibt es besondere Herausforderungen?
Jeder Trauernde reagiert anders und ist in einer Ausnahmesituation. Ich darf gewisse Reaktionen auch nicht persönlich nehmen, denn oft wirst du zum Puffer für Aggressionen. Ein Verlust ist derart einschneidend, dass man mit dem Wieso und Warum nicht weiterkommt. Die Trauerbewältigung ist ein Weg, wo Tränen und Wut zugelassen werden müssen. Dies geht individuell verschieden, oft langsam, man tröstet sich von einem Tag auf den nächsten. Letztlich ist es die Zeit, die Wunden heilen hilft, jedoch nicht im Vergessen, sondern im Spüren und in der Verinnerlichung einer spirituellen Nähe mit dem Verstorbenen. In einer anderen Dimension. Und vielen hilft auch der Glaube.

Wie sehr belastet Sie dieser Beruf mental?
Mein täglicher Umstand ist ja immer ein tragischer; er belastet mich aber überhaupt nicht, ich bin im Gegenteil froh, wenn ich gerade in dieser akuten Zeit Menschen beistehen kann. Am stärksten nahe geht es mir, wenn Menschen aus meinem nahen Bekanntenkreis versterben oder Kinder im Alter meiner eigenen. Es gelingt mir aber, Abstand zu gewinnen.

Wie nimmt man Sie in Ihrem Beruf wahr?
Dieser Beruf ist bei uns leider immer noch eine Männerdomäne. Mitunter empfängt man mich mit Skepsis. Eine meiner Stärken ist die Empathie, wodurch ich gut auf die Gefühlslage mir fremder Menschen eingehen kann. Somit gelingt es mir auch recht bald, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Ich habe diesbezüglich auch Ausbildungen im Priesterseminar in Brixen gemacht, die mir natürlich dabei helfen. Seitens meines Mannes und meiner Kinder erfahre ich eine große Unterstützung, wofür ich sehr dankbar bin. Die Dankbarkeit, die ich durch Angehörige der Verstorbenen erfahre, ist letztlich das wirklich Befriedigende an meiner Arbeit.

Was hilft Ihnen persönlich, schwierige Momente zu meistern?
Der Glaube. Und Musik und Natur. Musik begleitet mich durchs Leben. Ich singe in einem Doppelquartett, wo wir Hochzeiten, Messen, Jubiläen mit sakraler sowie „Musikantenhuangorte“ mit echter Volksmusik gestalten; auch mein Mann singt mit. Ansonsten bin ich gerne mit ihm in den Bergen unterwegs, um vom Alltag abzuschalten.

Geben Sie uns bitte einen Rat mit in den Herbst…
Diese düstere, oft nebelverhangene Jahreszeit schlägt manchen Menschen schwer aufs Gemüt. Ich rate, trotz des unfeinen Wetters und auch wenn es Überwindung kostet, möglichst oft in die Natur zu gehen und sich an der frischen Luft zu bewegen. Es hilft!
Gleichzeitig will ich alle, die sich in einer schwierigen Lebensphase befinden ermutigen, sich jemandem anzuvertrauen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist keine Schande, sondern mutig.
(IB)