„Der Herrgott hat viele Kostgänger.“
Kürzlich erhielt Martha Stocker das Verdienstkreuz des Deutschen Ordens in Südtirol. Bei der Laudatio würdigte Landeshauptmann Arno Kompatscher Stockers Empathie in menschlichen sowie ihre Hartnäckigkeit und ihr Fachwissen in politischen Belangen. In ihren 20 Jahren im Südtiroler Landtag und letztens als Landesrätin für Gesundheit, Sport, Sozialwesen und Arbeit hat Martha Stocker die Südtiroler Politik wesentlich geprägt. Am 25. Jänner dieses Jahres ist ihr aktiver politischer Weg zu Ende gegangen.
Wie sehen Sie Ihr politisches Engagement im Rückblick?
Mit der Arbeit identifizierte ich mich total und ich setzte mich mit Freude für komplexe Entscheidungen ein. Im Bereich Sport war es für mich ein sehr angenehmes Engagement. Mit Umstrukturierungen im Gesundheitswesen galt es hingegen, einen der schwierigsten Bereiche zu bewältigen; mein Wunschressort war dies nicht. Die Ausrichtung meiner Politik in den Bereichen Soziales und Gesundheit ist aber zukunftsweisend, davon bin ich nach wie vor überzeugt. Auch wenn jetzt hier und dort zurückgerudert wird, ist dies wahrscheinlich keine langfristige Lösung, weil sie rechnerisch schwer umsetzbar sein wird. Ich blicke jedenfalls mit Genugtuung auf meine politische Karriere zurück und denke, sehr vieles zum Wohle der Bürger umgesetzt zu haben.
Was an Erreichtem erfüllt Sie mit Genugtuung?
Das sind die Ausstellung zur Option, die Sportschule Mals, das Familienpaket, den Ausbau der Zusatzrente Pensplan, das Gleichstellungsgesetz, das Gesetz für Teilhabe und für Menschen mit Behinderung, das Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung, zwei Gesetze betreffend die Neuregelung des Gesundheitswesens und vor allem die Schaffung der gesamten Voraussetzungen für die Facharztausbildung nach österreichischem Modell sowie den Ausbau im Bereich der Schmerztherapie, der Rheumatologie und der Schwerstpflege. Ich kann mit Genugtuung auf das Erreichte zurückblicken, weshalb mir jetzt der Abschied von der politischen Bühne nicht schwerfällt.
Wie nahmen Sie Enttäuschungen im Gesundheitsressort auf?
Mein Motto ist und war immer: Mut zum aufrechten Gang. Menschlich enttäuscht haben mich Kollegen, die mich im Regen stehen ließen. Klarerweise war auch der Aufruhr in der Bevölkerung nicht angenehm und vieles wurde medial aufgeheizt. Ich erhielt aber durchaus auch positive Rückmeldungen. Wegen der Kritik das Ressort aufzugeben, war für mich aber nie eine Option. Dabei half mir auch die Eigenschaft, für die ich ewig dankbar bin, nämlich das Gewesene wegstecken zu können und nach vorne zu schauen. Am selben Tag meines Scheidens aus der aktiven Politik, startete ich zu einer mehrmonatigen Sprachreise nach Neuseeland.
Sie haben drei Landeshauptmänner erlebt. Können Sie uns aus Ihrer Sicht deren Zielsetzung schildern?
Silvius Magnagos Hauptanliegen war, die Grundstruktur der Autonomie zu schaffen und zu festigen. Interne, verwaltungstechnische Abläufe interessierten ihn nicht unbedingt. Aufbauend auf Magnagos Fundament gelang es Luis Durnwalder, die Autonomie „erlebbar“ zu machen. Zugute kam ihm die Finanzgebarung mit den großzügigen Förderungsgeldern, die nun für Südtirol zugänglich wurden. Für Arno Kompatscher ist es ein Anliegen, in den Weichenstellungen der Autonomie den Kurs zu halten, und dass sowohl Österreich als auch Italien gemeinsam an diesem Ausbau partizipieren. Und gleichzeitig Acht zu geben, dass die Zuständigkeiten der Autonomie nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Hinzufügen möchte ich, dass uns Südtirolern generell viel mehr bewusst sein sollte, dass die Autonomie keine Selbstverständlichkeit ist.
Was macht Martha Stocker zurzeit?
Soeben ist mein neues Buch mit dem Titel: „Die Paket-Schlacht“ erschienen. Darin geht es um das Ringen um die wegweisende Entscheidung für Südtirol, welche vor 50 Jahren durch Silvius Magnago zustande kam. Die Diskussion über das Paket war eine Sternstunde der Demokratie. Künftig will ich mich vermehrt für die Magnago-Stiftung und für das gesamteuropäische Projekt Pulse of Europe einsetzen sowie Initiativen für bedrohte Völker unterstützen. Und dann möchte ich meinen Pilgerweg von Südtirol nach Rom fortsetzen; die Strecke von Salurn bist Bologna habe ich bereits geschafft. Pilgern ist für mich eine Reise zum eigenen Ich. Bisher habe ich den Camino Francés, den Camino Portugues oder den Pilgerweg von Graz nach Sillian erwandert. Das Pilgern gibt mir sehr viel Kraft.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
Ich denke, noch weitere Buchprojekte verwirklichen zu können. Für mich selbst wünsche ich, zufrieden zu sein wie derzeit. Und immer die Sicht für das Gute zu bewahren, bei Menschen wie bei Situationen. Wenn das so bliebe, wäre es etwas ganz Großes. Friede und Zufriedenheit wünsche ich auch den Leserinnen und Lesern des Puschtra, verbunden mit einer frohen Weihnacht und einem guten neuen Jahr. (IB)
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