WLAN-Aufrüstung an unseren Schulen

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WLAN-Aufrüstung an unseren Schulen

Im Februar 2017 hat die Landesregierung einen Beschlussantrag verabschiedet, in welchem mit Nachdruck gefordert wird, Bildungseinrichtungen mit WLAN-Systemen auszustatten. Die dafür notwendigen Installationskosten wird das Land übernehmen. Diese von offizieller Stelle forcierte digitale Aufrüstung an unseren Schulen steht für Innovation und gegen Unterrichtsmethoden, denen der Beigeschmack des Anachronismus anhaftet. Kritische Stimmen sehen nicht nur die Vorteile, sondern beanstanden, dass bei der WLAN-Aufrüstung Risiken gesundheitlicher, pädagogischer, sozialer Art und zum Datenschutz weitgehend übergangen und tabuisiert werden.

 

„Der Beschlussantrag, durch den die Landesregierung den Weg frei gibt für die Einführung digitaler mobiler Medien und WLAN an Schulen, basiert auf einem Gutachten, das in völlig intransparenter Weise zustande kam“, bemängelt Kathrin Baur von der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Außenstelle Bruneck in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Elektrosmog und Mitglied der Wirelessgruppe Bruneck. „Auf Initiative der VZS wurde 2015 eine Expertenanhörung zu medizinischen, biologischen, pädagogischen, technischen und juristischen Aspekten der Mobilfunktechnologie vor dem Landtag durchgeführt. Aufgrund dieser Berichte wurde im Juni 2015 vom Südtiroler Landtag ein Beschlussantrag (Nr. 378/15) diskutiert und mehrheitlich angenommen, wonach in Südtirol das Vorsorgeprinzip angewandt wird. Die Landesregierung wird darin u.a. verpflichtet, in öffentlichen Einrichtungen nach Alternativen zur WLAN-Versorgung zu suchen und eine Arbeitsgruppe zur Auswertung der Strahlungsbelastung einzusetzen. Auch sollten die Auswirkungen der digitalen Medien auf Schüler/innen und ein sinnvoller Umgang für das Lernen damit überprüft werden“, verdeutlicht Baur. Nun sei eine Arbeitsgruppe ohne jegliche Information der Öffentlichkeit eingesetzt worden, welche am 23. November 2016 dieses beanstandete Gutachten vorgelegt habe, so Baur: „In diesem Gutachten werden einseitig Vorteile von mobilen Medien und WLAN herausgestellt, Nutzen und Risiken werden nicht gegeneinander abgewogen und alle psychosozialen und strahlungsverursachten Risiken werden als vernachlässigbar darstellt.“ Harald Angerer, Zuständiger für digitale Unterrichtsmaterialen und digitales Bildungsangebot im Bereich Innovation und Beratung im deutschen Bildungsressort, bestätigt, dass das Land, sofern die Schulen dies wünschen, die Kosten der Access Points bzw. Hotspots für die WLAN-Verbindung und der notwendigen Softwareeinrichtung übernimmt: „Der offizielle Standpunkt ist gegenwärtig der, dass die WLAN-Funkwellen völlig ungefährlich sind. Das Land versucht dennoch durch effizientes Vorgehen, die Sendeleistung so minimal wie möglich zu halten, aber jede Schule kann selbst entscheiden, wo und wie viele Hotspots sie installieren möchte.“ In der Brunecker Mittelschule „Dr. Josef Röd“ werden es im kommendem Schuljahr zwei Hotspots sein, die installiert werden, wie Direktor Stefan Keim anführt: „Im Schuljahr 2017/18 werden wir mit einem Pilotprojekt und zwei Antennen starten. Die Bibliothek wird mit einem Hotspot ausgestattet und eine Klasse, welche mit Chromebooks arbeiten wird. Die Signalstärke der Funkstrahlung werden wir durch eine entsprechende Software selbst regulieren können. Bereits bei den Einschreibungen mussten Eltern sich bewusst für diese Pilotprojektklasse entscheiden, da der Besuch dieser Klasse auch den Einkauf eines Netbooks inkludiert. Die Resonanz war überaus positiv: 22 Schüler/innen können wir aufnehmen, gemeldet haben sich 39. Bei jenen, die wir leider ablehnen mussten, waren viele Eltern sehr enttäuscht.“ Dass es gerade die Schülereltern sind, die sich einen Unterricht ihrer Kinder wünschen, in dem der Einsatz von digitalen Medien zum Schulalltag gehört, weiß auch Direktor Walter Markus Hilber, an dessen Schule, die Wirtschaftsfachoberschule Bruneck und Innichen, bereits seit vielen Jahren mit dem WLAN-System gearbeitet wird: „Gerade unsere Eltern wünschen sich eine profunde, gute, kompetenzorientierte und zeitgemäße Ausbildung, die den zukünftigen Erfolg im Studium und in der Arbeitswelt der Schüler/innen gewährleistet. Ohne den Einsatz der neuen Medien, die Erziehung zu einem Selbstmanagement wird dies im schnellen technischen Wandel unserer Zeit nicht möglich sein.“

DIGITALER FORTSCHRITT
Gerade eine Oberschule wie die WFO, die ihre Schüler/innen auf Berufe vorbereitet, in denen der Umgang mit digitalen Medien Voraussetzung ist, ist gewissermaßen verpflichtet, hier die nötige Medienkompetenz zu vermitteln. So betont Hilber: „Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, gerade an Wirtschaftsfachoberschulen, die die Schüler/innen in Hinsicht auf ein Studium und die sich ständig wandelnde Arbeitswelt befähigen müssen, mit verschiedenen digitalen Medien kreativ und gut umzugehen. Wir haben die gesamte Schulgemeinschaft miteinbezogen und Mehrheitsbeschlüsse gefasst. Wir führen ja auch die sehr erfolgreiche Fachrichtung der Wirtschaftsinformatik und sind bereits seit vier Jahren sehr gut mit einem schnellen für alle zugänglichem WLAN ausgestattet, wir haben einen eigenen und effektiven Weg gefunden, um die Unterrichtsqualität in vielen Fachbereichen zu unterstützen und zu fördern. Unsere Schüler sind heute sogar in der Lage, eigenständig interessante Apps zu programmieren.“ Die Überzeugung, dass eindeutige Vorteile der digitalen Medien im Schulbetrieb nicht von der Hand zu weisen sind, teilt auch Keim, der reinen Lobpreisung steht er aber kritisch gegenüber : „Die Schule insgesamt profitiert in vielen Bereichen von der Digitalisierung, was sich natürlich vorwiegend in der Administration und Organisation des Schulbetriebes zeigt. Was die Didaktik angeht, so muss das Bild differenziert werden: Einfache Office-Anwendungen sind in vielen Fächern und Fachbereichen sinnvoll und hilfreich, schwieriger wird die Antwort bei anderen Applikationen. Wenig Sinn sehe ich in der simplen Anwendung von Apps, wie das bei sogenannten ‚Tablet-Klassen‘ der Fall ist. Sehr zukunftsträchtig scheint mir der Einsatz von Software zu sein, über die gemeinsames Arbeiten an verschiedenen Themen möglich ist, z.B. OneDrive, digitale Mindmaps oder Google Education Apps. Dabei ist sicher das größte Problem die entsprechende fachliche und didaktische Kompetenz der Lehrpersonen – diese ist aus meiner Erfahrung bei wenigen zu finden.“

DIGITALES REGISTER
Das digitale Register wird an der MS Röd im kommendem Schuljahr 2017/18 eingeführt werden. An der WFO Bruneck und Innichen war dies bereits im heurigen Schuljahr der Fall, so Hilber: „Den meisten Lehrpersonen ist die Umstellung auf das digitale Register relativ leicht gefallen. Eingangs waren aber auch Geduld für die Gewöhnung und Beharren in der Anwendung erforderlich. Der Mehrwert durch den reduzierten bürokratischen Aufwand wird schnell ersichtlich. Das digitale Register funktioniert nur durch den Einstieg ins Internet, sei es über einen PC, einen LapTop, ein Tablet oder ein Smartphone und den Zugang auf die entsprechende Website. Es ersetzt das Klassenregister und Notenregister an unserer Schule durch eine digitale Komplettlösung, die für mehr Transparenz und weniger Papierverbrauch steht. Den Lehrpersonen wird die Planung der Stunden und Notenvergabe erleichtert, die Verwaltung erhält eine bessere Übersicht über die Vorgänge. Unsere Schüler/innen haben ebenso wie deren Eltern oder Erziehungsberechtigte über ein Passwort stets Zugriff auf ihre Noten und Absenzen. Die mündlichen, schriftlichen und praktischen Leistungsergebnisse und auch der regelmäßige Schulbesuch sind somit von allen jederzeit nachvollziehbar.“ Keim fügt hinzu, dass mit dem digitalen Register „auch ein Teil der Verantwortung an die Eltern übergeben wird, da sämtliche schulische Informationen künftig nur mehr online gestellt werden. Auch Absenzhefte können in naher Zukunft durch das digitale Register ersetzt werden. Die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus wird erleichtert.“ Die häufig gehörten Bedenken zum unsicheren Datenschutz werden dagegen von beiden Direktoren nicht geteilt. Beide Schulen haben sich für einen Anbieter entschieden, der die sensiblen Daten mit einem Hochsicherheitsserver abspeichert, zudem wird die Meinung vertreten, dass Schulnoten ohnehin kein lohnendes Ziel von Hackern seien.

DIGITALE NACHTEILE
„Die VZS hat nichts gegen Einsatz von digitalen Hilfsmitteln, nur sollen diese nicht alle kabellos und per Funk funktionieren. Gemäß einer aktuellen Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz vom 17. März 2017 gibt es zur Zeit noch keine leistungsgeregelte WLANs im Unterschied zu den leistungsgeregelten UMTS- oder LTE-Standards in modernen Smartphones und Tablet-PCs. Das führt bei jeder Benutzung zu hohen Strahlungswerten. Gleiches gilt für jeden WLAN-Router. Gerade in der Schule, in der unsere Kinder viele Stunden am Tag sitzen, sollte das Prinzip der Vorsorge besonders beachtet werden. Das Gutachten des Landes ignoriert die derzeitig vorhandene Studienlage zu WLAN. Es wird pauschal damit begründet, dass WLAN-Access-Points schwach strahlen würden. Es wird nahegelegt: Weil WLAN vermeintlich schwächer strahlen als Handys, könne man von seiner Unschädlichkeit ausgehen. Es geht nicht nur um die maximale Sendeleistung (Emission) des Access Points im Vergleich zu anderen Funkanwendungen, sondern um die tatsächlich ankommende Strahlenbelastung (Immission), wenn im Klassenzimmer 15-30 gleichzeitig die Endgeräte nutzen, und es geht vor allem um die Dauer der Bestrahlung. Die Kinder und Jugendlichen sitzen ja mehrere Stunden täglich in der Schule“, argumentiert Baur.

DIGITAL NUR MIT MEHRWERT
„Die große Mehrheit der Lehrpersonen ist den neuen Medien und Möglichkeiten gegenüber sehr aufgeschlossen und verwendet moderne Unterrichtsmethoden, mit dem Ziel den Unterricht attraktiv zu gestalten. Die Methoden sollten aus meiner Sicht aber vielseitig sein, und nicht jeder ist gezwungen, ad hoc mit dem Zeitgeist zu gehen, auch frühere Methoden führen zu guten Ergebnissen und Lernerfolgen. Unsere Schule ist bereits zum Großteil aufgerüstet. Eine Weiterentwicklung kann es noch mit Smartboards und interaktiven Tafeln geben, aber jeder Schüler und jede Lehrperson nützt heute zunehmend ihr gewohntes digitales Gerät, es gilt das Motto: „Bring your own device!“, so Hilber. Auch Keim spricht sich für eine gute Mischung der verschiedenen Lern- und Arbeitsformen aus: „Oberstes Ziel ist, dass die Schüler/innen lernen, digitale Medien als Arbeitsgeräte einzusetzen, die bestimmte Tätigkeiten erleichtern. Wichtig dabei ist, dass genügend Raum für andere multisensorische Erfahrungen verbunden mit dem Erleben realer Konsequenzen bleibt, z. B. im Kunst-, Musik-, Turn- und Technikunterricht, aber auch in Naturkunde. Bedenklich sehe ich die Anwendung digitaler Medien zu reinen Unterhaltungszwecken – das muss aus meiner Sicht an Schulen unterbunden werden.“ Dem pflichtet Hilber bei: „Neue Herausforderungen führen auch zu neuen Schwierigkeiten, Gefahren und Risiken, aber diesen müssen wir uns offen und kritisch stellen. Eine gute Erziehung und gezielte Maßnahmen zur Prävention der Sucht und Abhängigkeitskrankheiten als Folge des Missbrauchs digitaler Medien ist unumgänglich.“ Die Vermittlung der nötigen Medienmündigkeit sieht Keim als unbedingte Aufgabe nicht nur der Schule: „Ein Problem ist es, wenn Eltern ihre Kinder mit den neuesten digitalen Medien ausstatten, und sich dann nicht mehr weiter um die Nutzung kümmern. Wenn Kinder und Jugendliche gewöhnt sind, die neuen Medien unkontrolliert zu nutzen, wird es für die Schule schwierig, einen verantwortungsbewussten Umgang zu vermitteln. Wir als Schule versuchen zu sensibilisieren und kritische Stimmen nehmen wir sehr ernst, aber wir müssen einen Kompromiss finden. Der zu erwartende Gewinn muss aber beim Einsatz der digitalen Medien stets höher sein, als der zu erwartende Schaden.“ (SP)

 

Stefan Keim, Direktor MS „Röd“ Bruneck:
„Pauschale WLAN-Förderung lehne ich ab.“

Walter Markus Hilber, Direktor WFO Bruneck/Innichen:
„Die digitale Zukunft können wir nicht aufhalten.“

Kathrin Baur, VZS Außenstelle Bruneck:
„Digitale Medien als Hilfsmittel – ja, wenn pädagogisch sinnvoll, funkgesteuert – nein!“