Josefina Leitner will es noch einmal wissen. Nach einem schweren Schicksalsschlag nimmt die Bergläuferin aus Pfunders 2017 wieder an Rennen teil, unter anderem am Tiefroschtn-Lauf. Es wird ein emotionales Comeback werden, denn die Erinnerung an ihren verstorbenen Ehemann Philipp läuft stets mit. Er war es, der vor genau zehn Jahren die Bergläuferin in ihr geweckt hat.
Die Berge sind Josefina Leitners Zufluchtsort. Die 31-Jährige ist hier aufgewachsen, inmitten der schroffen Pfunderer Bergwelt. In den Bergen hat sie gemeinsam mit Philipp Huber, der Liebe ihres Lebens, die unvergleichliche Magie dieser Landschaft entdeckt. Hier hat sie ihre Leidenschaft fürs Berglaufen entwickelt. Und hier ist sie nun dabei, langsam wieder den Boden unter den Füßen zurück zu gewinnen, der ihr weggezogen wurde, als ihr Mann im Herbst 2016 unerwartet verstarb. Wann immer sie die Zeit findet, geht sie hinauf in die Berge, egal ob im Sommer oder Winter. Josefina ist Mutter eines kleinen Jungen und arbeitet als Lehrerin. Die Zeit ist also nicht selten knapp bemessen. Wenn sie dann oben ist, die Steine und Gräser, die Pfade und Wege unter ihren Füßen spürt, fühlt sie sich ihrem Mann verbunden und schafft es den Kopf frei zu kriegen von den Sorgen, die unten im Tal oft tonnenschwer auf ihr Lasten.
Vor zehn Jahren, im Jahr 2007, überredete sie ihr Philipp, gemeinsam mit ihm am Berglauf zwischen Lappach und der Tiefrastenhütte teilzunehmen, am Rennen, das gemeinhin als Mutter aller Bergläufe im Pustertal gilt. Philipp war damals bereits ein Experte auf dem Gebiet, Josefina hingegen eine Anfängerin. Sie trat an, wenngleich mit mulmigem Gefühl, und schaffte es ins Ziel. Seitdem hat sie noch fünfmal daran teilgenommen und beachtliche Erfolge gefeiert, wie etwa im Jahr 2009, als sie zusammen mit Elisabeth Egarter die Bestzeit bei den Damenteams erzielte. 2013 war sie zum letzten Mal am Start, nach einer vierjährigen Pause will es Josefina nun noch einmal wissen. Der Puschtra hat sie im Vorfeld des Rennens zum Interview gebeten.
Puschtra: Es ist schon eine ganze Weile her, dass sie Ihr Debüt beim Berglauf zwischen Lappach und der Tiefrastenhütte gefeiert haben. Was war das für ein Gefühl, damals, als Sie zum ersten Mal auf das Startsignal gewartet haben?
Josefina Leitner: Ich kann mich noch gut erinnern, wie unglaublich nervös ich damals war. Und um ehrlich zu sein, bis ich das heute immer noch, in den Momenten, bevor das Rennen los geht.
20 Kilometer Laufdistanz, dazu 1.580 Höhenmeter, die man zurücklegen muss. Es ist ein brachialer Lauf, an dem sie 2017 bereits zum siebten Mal teilnehmen. Kann man sagen, dass das Rennen für sie beinahe schon Routine geworden ist?
Nein, Routine würde ich nicht sagen, aber er ist für mich ein wichtiges Datum im Berglaufkalender. 2013 habe ich zum letzten Mal daran teilgenommen, anschließend kam eine längere Babypause. Erst letztes Jahr im Sommer und Herbst habe ich mich wieder intensiver auf Bergläufe vorbereitet. Der ‚Tiefroschtn‘ ist ein Berglauf in den schönen Pfunderer Bergen. Das wechselnde Gelände gefällt mir besonders gut und gerade deshalb habe ich entschieden wieder daran teilzunehmen. Aber es weckt auch viele schöne Erinnerungen in mir, an die drei gemeinsamen Teilnahmen mit meinem Mann Philipp.
Wie war die Reaktion aus ihrem nächsten Umfeld, als sie sich vor zehn Jahren dazu entschlossen haben, als Frau an den Start dieses Rennens zu gehen?
Die Reaktionen und Meinungen des Umfelds waren verschieden. Von „spinnst du jetzt total“ bis „Respekt und Hut ab“ war da alles dabei. Aber es ging mir nicht darum, was mein Umfeld dachte, sondern ich wollte damals herausfinden, ob ich der Anforderung gewachsen bin.
Eine Herausforderung, die selbst vielen Männern eine Menge Ehrfurcht abverlangt. Entwickelt man eigentlich ein anderes Selbstverständnis als Frau, wenn man diesen Kraftakt erst einmal geschafft hat?
Nein, ich würde nicht behaupten, dass sich daraus ein anderes Selbstverständnis entwickelt, obwohl es sehr wohl eine Genugtuung ist, wenn man heil im Ziel angekommen ist und diese Strecke noch dazu in einer sehr guten Zeit bewältigt hat.
Rennen dieses Kalibers sind nicht unumstritten. Würden Sie einer Freizeitsportlerin die Teilnahme daran bedenkenlos empfehlen?
Eine gute körperliche Fitness, eine gezielte Vorbereitung und vor allem Trittsicherheit sind meiner Meinung nach die Voraussetzungen, um an diesem Berglauf teilzunehmen, da das Verletzungsrisiko hier zweifelsfrei ziemlich hoch ist. Schlussendlich muss jeder selbst entscheiden, ob er oder sie der Herausforderung gewachsen ist.
Grundsätzlich geht die Entwicklung momentan dahin, dass Sportveranstaltungen das Extreme suchen. Wie erklären Sie sich diese Sehnsucht von Sportlern nach dem Grenzwertigen?
Das ist schwierig zu erklären, aber ich glaube, dass sich Teilnehmer solcher Rennen selber testen wollen. Dahinter steckt wohl oft die Absicht, seine eigenen Grenzen kennenzulernen. Man will es am eigenen Leib erfahren „wie weit man gehen kann“.
Wer so oft wie Sie dabei war, wird sich wohl nicht mehr mit einem ‚dabei sein ist alles‘-Gedanken zufrieden geben. Welches Ziel haben sie sich 2017 für das Rennen gesetzt?
Das stimmt allerdings, das olympische Motto galt für mich nur bei der ersten Teilnahme. Seither habe ich mich ständig gesteigert. Es ist einfach ein großer Ansporn, die persönlichen Bestzeiten zu toppen, obwohl das kein leichtes Vorhaben ist. Für heuer habe ich mir vorgenommen, gemeinsam mit meiner Laufpartnerin eine neue Bestzeit für Damen anzupeilen. Es wird schwierig, keine Frage und viele verschiedene Komponenten müssen dafür zusammen spielen.
Wer ist ihre Laufpartnerin?
In diesem Jahr gehe ich mit Birgit Stuffer aus Gossensass an den Start. Sie ist eine besonders gute Skitourengeherin und gemeinsam möchten wir heuer das Abenteuer in den Pfunderer Bergen wagen. Wir haben schon seit längerem mit dem Gedanken gespielt, mal gemeinsam anzutreten und 2017 ist es nun endlich soweit.
Teamsport baut auf Vertrauen und Kommunikation. Welche Absprachen müssen vor dem Rennen getroffen werden, damit man sich während des Rennens versteht und möglichst wenig Zeit verliert?
Es werden vor dem Rennen eigentlich keine großen Absprachen gehalten. Wichtig ist, dass die Harmonie zwischen beiden passt. Deshalb sucht man sich schon im Vorfeld eine Partner oder einen Partner aus, mit der oder mit dem man sich gut versteht und konditionell auf einer Ebene steht. Das ist wichtig, weil es bei einem Rennen dieses Kalibers sehr schnell passieren kann, dass es einem schlecht geht. Dann ist es wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützen und aufmuntern kann. ‚Gemeinsam kämpfen‘ für das Ziel, das ist unser Motto.
Das Rennen ist mittlerweile ein Klassiker, auf altbekannter Strecke. Was sind für sie die Schlüsselstellen, an denen sich entscheidet, ob das Rennen top oder flop wird?
Schlüsselstellen gibt es hier gar einige. Es ist ein Lauf der von knackigen Anstiegen über wilde Abstiege bis hin zu kurzen Flachpassagen auf schmalen Steigen alles zu bieten hat. Es gilt, sich das Rennen von Beginn an gut einzuteilen. Besonders der letzte steile Anstieg zur Hochsäge, der verlangt einem nochmal alles ab. Da heißt es genügend Kraftreserven zu haben und auf die Zähne zu beißen.
Infobox: Josefina Leitner stammt aus Pfunders und kennt die dortigen Berge fast besser als ihre eigene Westentasche. 2017 schnürt sie wieder die Berglaufschuhe, auch um das sportliche Andenken ihres verstorbenen Ehemanns Philipp Huber zu ehren.
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