„Transformation ist das Wesen der Kunst und des eigenen Lebens.“
Er fühlt sich als Weltnomade. Seit 1997 lebt Walter Auer als Künstler in Syndey/Australien. Bedeutende Ausstellungen und Preise säumen seinen Weg. Den Tauferer Dialekt aber spricht der 60-Jährige, als ob er nie weg gewesen wäre.
Wie kamen Sie zur Kunst?
Ich habe Konditor gelernt. In Basel arbeitete ich eine zeitlang als Koch und sah zufällig eine Keramikausstellung, die mich total faszinierte. Eine anschließende Reise nach Nepal und Sri Lanka hat mich stark künstlerisch inspiriert. Daraufhin ging ich nach Avanos in der Türkei, um Töpfern zu lernen. Schließlich entschied ich mich für eine richtige Ausbildung und habe in Faenza den Maestro d’arte mit Spezialisierung in Keramik abgeschlossen. Jetzt war ich angekommen, wo ich wollte. Anschließend zog es mich für ein Jahr nach Japan, um mich in der Keramik zu perfektionieren. Wieder daheim, bot sich in Eritrea in einstaatlich gefördertes Lehrprojekt an. Drei Wochen vor der Abreise erhielt ich jedoch die Nachricht, dass das Projekt aufgrund politischer Wirren gestrichen sei, ich bekäme allerdings den Flug bezahlt und eine temporäre Aufenthaltserlaubnis. Also flog ich 1898 nach Eritrea und lehrte in einem Rehabilitationszentrum für Leprakranke Keramik. Meine Arbeit war freiwillig, ich erhielt nur Kost, Logis und Zigaretten. Das Land war im Kriegszustand. In Addis Abeba haben wir eine Ausstellung mit den Werken der Leprakranken gemacht, dort war die Luft politisch aufgeladen. Ich erlebte, wie die Guerilla einmarschierte, die Straßen waren voller Panzer. Im Zuge meines Afrikaaufenthaltes lernte ich auch meine Frau Nighisti kennen. 1991 kam sie mit mir zurück nach Mühlen, fühlte sich aber wegen des rauen Klimas nicht recht wohl. Daraufhin zogen wir nach Tuscania, wo unser Sohn Nico zur Welt kam. Hier im Herzen der etruskischen Kunst fühlte ich mich sehr wohl. Ich richtete mir eine eigene Werkstatt ein und konnte vom Verkauf meiner Produkte die Familie ernähren. 1997 erhielt ich ein Angebot, in Sydney im Bereich Design und Produktion zu arbeiten und so zogen wir nach Australien. 2002 wechselte ich den Job und ich lehre seitdem an mehreren Tafe-Colleges, eine Art Berufs- bzw. Volkshochschule.
Was bedeutet für Sie der Lehrberuf?
Ich versuche jemanden die Technik und Konzeption zu vermitteln, aber nicht meine Vorstellung von Kunst aufzudringen. Mir ist es wichtig, dass sich jeder in seiner Stilrichtung wieder findet. Seit 2011 arbeite ich auch mit einer Gruppe Aborigines Frauen, sie sind alle um die 70. Aborigines haben ein archaisches, künstlerisches Potential, sind lebensfroh und humorvoll. Ich fühle mich privilegiert, mit ihnen arbeiten zu dürfen, es macht mir sehr viel Spaß. Durch meine Unterstützung hat die Gruppe den wichtigsten Keramik-Preis Australiens gewonnen, der mit 20.000 Dollar dotiert war.
Erklären Sie uns Ihre Stilrichtung…
Die Arbeit an der Drehscheibe ist in der Gestaltung begrenzt, weshalb mich mehr das Handformen reizt, wie Skulpturen und Installationen. Ein wichtiger Aspekt in der Keramik ist die Technik, eine Glasur zu formulieren, hierbei experimentiere ich immer wieder Neues. Somit sind in meinen Arbeiten ständig wechselnde Phasen zu sehen. Neuerdings arbeite ich auch mit Porzellan.
Nennen Sie uns Ihre künstlerischen Aktionen…
Bereits in Faenza begann ich eine Art farbiges Tagebuch, wo als Momentaufnahme aus dem Unterbewusstsein 1.127 Bilder entstanden sind. In Keramik machte ich eine ähnliche Aktion mit 999 kleinen Figuren und stellte sie in Viterbo aus. Meine letzte Serie, die ich als die wichtigste erachte, begann im Jahr 2000: In einem lange währenden Keramik-Experiment gelang es mir unter Entzug von Sauerstoff im Schwarzbrand, Bücher zu versteinern, dass das Buch selbst noch erkennbar und lesbar ist. Ebenso versteinere ich derzeit Teddybären. Eine verrückte Idee. Mein künstlerisches Ziel ist die kristallene Welt: Dinge zu Kristallen zu transformieren.
Woher holen Sie Ihre Inspiration?
Meine Werke sind Transformation und Transition als Übergang von einem Objekt zum Kunstwerk. Die Inspiration erhalte ich aus einer extrem starken Verbindung zur Natur, aus Erinnerungen und aus meiner Kindheit. Und auch aus einer gewissen Nähe zum Tod. Ich war sechs Jahre, als meine Mutter starb und sie war da schon drei Jahre blind. Das prägt dich. Ebenso inspiriert mich Prähistorisches, wie die Zeit der Etrusker oder antike Felszeichnungen. Kunst muss aber mehr sein als Kunst. Der Künstler hat Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Er schafft ein verschlüsseltes Sprachrohr, um auf Missstände, wie globale Umweltthemen hinzuweisen: Die Menschheit ist heute in einem Rausch nach immer mehr, immer schneller und immer größer.
Wie sehen Sie Ihre Heimat?
Ich kenne mein Heimatdorf kaum wieder, es hat sich so vieles so schnell verändert. Die Berge sind noch wie sie waren. Ich habe eine sentimentale Zuneigung zum Dorf, aber es kommt mir fremd vor. Die Entwicklung ging viel zu schnell. Traditionen verschwinden. Ich finde Parallelen zu Australien, das sehr Geldorientiert ist. Man kann nicht alles kaufen und verkaufen, auch die Natur nicht, denn sie ist es, die uns letztlich erhält.
Kommen Sie wieder nach Europa zurück?
Das kann ich nicht sagen. Ich fühle mich überall auf der Welt wohl. Schön wäre, es ein halbes Jahr in Australien und ein halbes Jahr in Mittelitalien leben zu können. Das ist mein Traum.
Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.