Mehr Aufträge bei halb so vielen Rekursen ist eines der Ergebnisse der Bilanz zu zwei Jahren Südtiroler Vergabegesetz. Nutzer erzählen von ihren Erfahrungen.
In einer Pressekonferenz haben Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Direktor der Vergabeagentur, Thomas Mathà, heute (15. Februar) einen Rückblick auf zwei Jahre Vergabegesetz gegeben – aber auch einen Ausblick in die nächste Zukunft. „Das Vergabegesetz ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. Die Zahlen von 2015/2016 (ASTAT) seien ein Beweis dafür. Das Ausmaß der Vergaben sei schon im ersten Jahr (2016) um 17,1 Prozent auf 1186 Millionen Euro geklettert. Selbst die Rekurse zu öffentlichen Aufträgen seien von 2014 (39) auf 2016 (19) laut den Zahlen des Bozner Verwaltungsgerichts auf die Hälfte gesunken.
Das Land Südtirol hatte im Dezember 2015 als eine der ersten Regionen Europas die europäische Vergaberichtlinie direkt umgesetzt, ohne die italienische Gesetzgebung in diesem Bereich abzuwarten. Das Ziel der EU war es unter anderem, die Digitalisierung voranzutreiben, den Zeitaufwand zu reduzieren, die Kosten der eingekauften Leistungen zu drosseln und die Transparenz bei öffentlichen Aufträgen zu maximieren. All diese Vorgaben machen die öffentliche Vergabe zu einem sehr komplexen Ablauf. Den Weg zu diesem Ziel ging das Land Südtirol unter anderem mit der Beteiligung der Interessengruppen. Landesregierung und Landtag verabschiedeten das Südtiroler Vergabegesetz jeweils im Oktober und Dezember 2015.
Es galt, den Wirtschaftsstandort zu stärken
Dass Südtirol den eigenen Weg der direkten Umsetzung gegangen ist, macht es heute möglich, Bedürfnisse und Besonderheiten der Südtiroler Wirtschaft zu berücksichtigen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. „Dies war schließlich ein Ziel des Koalitionsprogrammes meiner Regierung und ist heute von unserer Seite her umgesetzt“, sagte der Landeshauptmann. „Nun ist es aber an der Zeit, dass die alle Vergabestellen in den Gemeindeverwaltungen dieses wirksame Werkzeug, beispielsweise die Aufteilung in Gewerke, auch im Sinne der lokalen Wirtschaft einsetzen“, unterstrich Kompatscher. Es sollte gelingen, dass die Körperschaften die Kriterien in den Ausschreibungen noch zielgerechter auf die Wirtschaftsstruktur unseres Landes ausrichten, die durch viele Klein- und Mittelbetriebe gekennzeichnet ist. Diesen Wunsch bekräftigte auch einer der anwesenden Unternehmer.
Die Vergabeagentur (AOV) und die beauftragte Sofwarefirma I-Faber arbeiten laufend daran, die Vergabeplattform noch einfacher zu gestalten, beispielsweise über ein neues anwenderfreundlicheres Release der Software. Der bei der Pressekonferenz anwesende I-Faber-Direktor, Luca Bondini, berichtete, dass in anderen Regionen Italiens erst 20 bis 25 Prozent der Vergaben digitalisiert seien, in Südtirol betrage dieser Wert über 90 Prozent. Überhaupt gelte Südtirol in ganz Italien als Vorreiter in puncto Vergabe öffentlicher Aufträge.
Wichtige Verbesserungen umgesetzt
Das Gesetz sei Mathà zufolge darauf ausgerichtet, den Wettbewerb zu fördern, aber auch die Qualität zu honorieren, damit die öffentlichen Verwaltungen „einen angemessenen Preis für eine angemessene Qualität zahlen“. Zu den wesentlichen Verbesserungen der letzten Zeit zählten „das Wegfallen der Transaktionsgebühr und der provisorischen Kaution, die Unternehmen für die Teilnahme an Ausschreibungen zahlen mussten“, betonte Mathà. Auch die Einführung eines sogenannten Untersuchungsbeistandes sei den Unternehmen entgegengekommen. „So haben Unternehmen ohne Pönale oder Ausschluss, die Möglichkeit, Dokumente nachzureichen, die eventuell fehlen“, sagte Mathà.
Das 2017 eingeführte Audit von Vergabestellen, beispielsweise Gemeinden, ermögliche es, diese in Zukunft vor möglichen Fehlern zu bewahren. „Wir werden auch einen noch stärkeren Schwerpunkt auf Weiterbildungskurse und die Beratung für öffentliche Körperschaften setzen, damit es gelingt, dass die öffentlichen Körperschaften die bestehenden Werkzeuge in Sinne unseres Vergabegesetzes anwenden“, versprach Mathà.
Die Stimme der Anwender
Auf die Bedeutung dieser Verbesserung für die Unternehmen wiesen auch der lvh-Ortobmann von Eppan und Unternehmer, Markus Pertoll, und die Verkaufsleiterin des Dienstleisters Markas, Claudia Flaim, hin. Ersterer sprach aus der Sicht des Kleinunternehmens, das als Baufirma an rund 25 Ausschreibungen im Jahr teilnimmt. Die Tatsache, dass der maximale Betrag für lokale Ausschreibungen von einer auf zwei Millionen erhöht worden sei, würde den KMUs in Südtirol sehr entgegenkommen. „Wünschenswert wäre es allerdings, dass auch alle Körperschaften diese Möglichkeit ausschöpften“, bat Pertoll. Ebenso wie Flaim begrüßte er die Abschaffung der provisorischen Kaution und die Reduzierung der definitiven Kaution.
Als Vertreterin eines Großunternehmens verglich Flaim die Vergabeverfahren in Südtirol mit jenen anderer Regionen: Südtirols System sei „immer einen Schritt voraus“ und „auf jeden Fall einfacher, flexibler und unbürokratischer“. Beispielsweise müsse ein Unternehmen nur einmal die erforderlichen Dokumente liefern, danach seien sie im System vorhanden.
Der Generalsekretär der Gemeinde Bruneck, Alfred Valentin, bestätigte, dass das italienische Vergabegesetz eine „Winterausrüstung für eine Fahrt in die Wüste verlange“ – daher wünsche er sich, dass Südtirol seinen eigenen Weg weitergehe. „Vielleicht wäre es ja denkbar, dass bei den Durchführungsbestimmungen zum neuen Autonomiestatut noch mehr Autonomie in Puncto Vergabeverfahren nach Südtirol geholt werden kann“, sagte Valentin. Eine Möglichkeit der Verbesserung sehe er nach wie vor in der zu langen Zeit, die eine Vergabe von der Planung bis hin zum Zuschlag in Anspruch nehme. Der Landeshauptmann schloss mit einer Einladung an all jene Unternehmen, die sich noch nicht ins Verzeichnis des elektronischen Marktes (EMS) eingetragen haben, dies bald nachzuholen. (mgp)
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