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27. März 2018
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Ein Wolf unter Füchsen

Viktor Schweitzer hat es getan. Der gebürtige Niederdorfer, der über Jahre hinweg eine tragende Rolle beim HC Pustertal gespielt hat, läuft seit Herbst 2017 im Trikot des HC Bozen auf. Im Interview mit dem PUSCHTRA erzählt Schweitzer von harten Zeiten, seinem ruhigen Gewissen und einem schier unvorstellbaren Gefühl: von der Herzlichkeit, mit der die Bozner Eishockey-Fans einen Puschtra empfangen haben.

 

Darf man das überhaupt? Darf man als Urgestein und Leistungsträger des HC Pustertal zum langjährigen Erzfeind HC Bozen wechseln? Oh ja, man darf – wenn man denn kann. Denn nicht jeder Spieler hat die Qualität, um beim Spitzenteam der EBEL-Eishockeyliga mitzumischen. Viktor Schweitzer hat die notwendige Klasse. Der 26-jährige Flügelstürmer spielt seit Sommer 2017 bei den ‚Füchsen‘ in der Landeshauptstadt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist Schweitzer nun endlich angekommen, beim diesjährigen Halbfinalisten. Der Wechsel von der Rienz an die Talfer fiel ihm nicht leicht. Aber heute kann er sagen, dass es sich gelohnt hat.

PUSCHTRA: Mit dem 3:2 Sieg im Grunddurchgang beim überlegenen Tabellenführer aus Wien hat der HC Bozen Ende Jänner gezeigt, welches Potential in der Mannschaft steckt. Sie haben dabei das entscheidende Tor erzielt. War es der Moment, in dem der Puschtra Viktor Schweitzer endgültig beim HCB angekommen ist?
Viktor Schweitzer: Natürlich war das ein sehr spezieller Moment für mich, nicht zuletzt deswegen, weil ich meinem Team damit helfen konnte, in einem für uns sehr wichtigen und anspruchsvollen Spiel. Aber in Bozen angekommen, beim Hockeyclub aus der Landeshauptstadt, bin ich schon viel früher.  Der Club und die Mannschaft haben mich auf Anhieb willkommen geheißen und in ihre Reihen aufgenommen. Ich habe mich also von Beginn an als Teil der Mannschaft gefühlt. So ein Tor wie gegen die Vienna Capitals war eigentlich nur die letzte Genugtuung, die noch gefehlt hat. Dieser entscheidende Treffer war  eine Art Bestätigung meiner Fähigkeiten und eine sehr schöne Erfahrung. Wir hatten Tags zuvor noch ein ziemliches schlechtes Spiel abgeliefert (4:2 Niederlage gegen HC Znojmo; Anm. d. Red.). Mit dem Auswärtssieg gegen den bis dahin überlegenen Tabellenführer aus Wien haben wir ein großes Ausrufezeichen gesetzt.

In den ersten Monaten, damals noch unter Trainer Pat Curcio, kamen Sie auffällig selten zum Einsatz. Das hat sich mit Fortdauer der Saison geändert. Wie haben Sie es geschafft, sich an das höhere Niveau in der EBEL anzupassen?
Ich hatte zu Beginn tatsächlich einige Probleme, mich an das neue Niveau zu gewöhnen. Aber beim HC Bozen gibt es jede Menge Spieler mit viel Klasse und viel Erfahrung, die mir im Training und in den Spielen schnell und schnörkellos gezeigt haben, worauf es ankommt. Ich hab mich reingekniet und mit harter Arbeit und zunehmender Spielpraxis an Sicherheit gewonnen. Wenn man erst mal einen gewissen Elan entwickelt hat, ergeben sich Fortschritte ganz automatisch. In der Tat war es zunächst so, dass ich unter Trainer Pat Curcio nur wenig Eiszeit bekommen habe. Vielleicht auch, weil mir der Coach nicht volles Vertrauen geschenkt hat, was wohl auch damit zu tun hatte, dass ich zu Saisonbeginn einige schwächere Leistungen abgeliefert habe. So oder so, mit dem Trainerwechsel zu Kai Suikkanen hat die Saison quasi neu begonnen. Es war ein Neuanfang für mich und für das Team. Seither läuft es besser für uns und auch ich fühle mich wohler, was sich auch daran zeigt, dass ich viel öfter zum Einsatz komme.

Hatten Sie Momente des Zweifels, an ihrer Tauglichkeit für die EBEL, als das Angebot aus Bozen kam?
Eigentlich nicht, zumindest was den sportlichen Aspekt betrifft. Mir war klar, dass ich mit harter Arbeit, mit vollem Einsatz und bedingungslosem Willen zum Erfolg des HC Bozen beitragen kann, auch wenn ich in meiner ersten EBEL-Saison vielleicht nicht 20 Tore erzielen werden. Was mich ein wenig an diesem Schritt zweifeln ließ, war meine Verbundenheit zu Bruneck. Der Ortswechsel, die Distanz zu meinen Kollegen und den Team-Kameraden vom HC Pustertal fiel mir ehrlich gesagt nicht besonders leicht. In dieser Hinsicht hat mir Daniel Glira sehr weiter geholfen, der den Wechsel von Bruneck nach Bozen ja bereits ein Jahr früher durchgezogen hatte. Seine Unterstützung hat mir den Ortswechsel etwas erleichtert. Jetzt bin ich in Bozen und in der EBEL gut angekommen und selbst wenn ab und zu ein schlechteres Spiel dabei ist, das Zweifel wecken könnte: So was gehört zum Eishockey dazu. Durststrecken überwindet man, indem man hart an sich arbeitet und nicht aufgibt.

Die Erzfeindschaft zwischen Ihrer sportlichen Heimat Bruneck und Ihrem neuen Club HC Bozen ist von beinahe biblischen Ausmaßen. Wie ist es Ihnen gelungen, Ihr schlechtes Gewissen beim Wechsel in die Landeshauptstadt zu beruhigen?
Ich habe diesen Wechsel nicht so eng gesehen, für mich war es vor allem ein Karriereschritt. Die sportliche Entwicklung, der Reifeprozess als Eishockeyspieler standen bei meinen Überlegungen im Vordergrund. Die Rivalität zwischen Bruneck und Bozen war früher einmal ein heißes Eisen. Das hat sich in den letzten Jahren ziemlich geändert, nicht zuletzt weil beide Teams mittlerweile in unterschiedlichen Ligen spielen. Was ich für mich festhalten kann, ist meine Dankbarkeit gegenüber dem HC Pustertal. Man hat mich dort stets maximal unterstützt. Der Club  hat mich als Spieler und als Persönlichkeit wachsen lassen. Ohne Bruneck wäre ich jetzt nicht hier in Bozen. Aber ich hatte keine Gewissensbisse, als ich mich entschieden habe, diesen nächsten Entwicklungsschritt als Eishockeyspieler zu machen.

Der Bozner Fan-Block ist früher oft durch Anfeindungen gegen Spieler des HC Pustertal aufgefallen. Wie sind Sie von den Bozner Ultras empfangen worden?
Tadellos. Ob in den sozialen Netzwerken oder im Stadion in Bozen: Die Fans haben mich bei meiner Ankunft in Bozen auf Anhieb willkommen geheißen. Und: Sie haben im Laufe der Saison bewiesen, dass sie treue und bedingungslose Anhänger sind. Wenn man bedenkt, wie schwierig die ersten Wochen der Saison für uns waren, ist es schon bemerkenswert, wie leidenschaftlich die Fans hinter dem Team gestanden sind, egal ob es für uns gut oder schlecht lief.

Die Stimmung bei Heimspielen des HC Bozen ist eine echte Augen- und Ohrenweide. Die ‚Eiswelle‘, das Stadion im Süden der Landeshauptstadt, ist ein Eishockey-Tempel, der selbst in der EBEL seinesgleichen sucht. Vermissen Sie eigentlich manchmal noch Ihre alte Heimspielstätte im Rienzstadion von Bruneck?
Die Eiswelle ist ein beeindruckendes Stadion. Bei manchen Spielen, wenn an die 4.000 Menschen die Stimmung im weiten Rund anheizen, gehen die Wogen hoch. Aber man kann und sollte die Eiswelle nicht mit dem Rienzstadion in Bruneck vergleichen. Das sind zwei grundverschiedene Orte. Ich erinnere mich stets mit Freude an die Heimspiele in Bruneck zurück. Die Fans und die Stimmung dort waren immer sehr speziell.

Der HC Bozen hat im Sommer 2017 mächtig in den neuen Kader investiert, trotzdem verlief die Saison bis zur Entlassung von Trainer Pat Curcio Ende November  sehr dürftig. Mit welchen Maßnahmen hat euch der neue Coach Kai Suikkanen wieder zurück in die Erfolgsspur gebracht?
Jetzt geht die Saison noch einmal von Null los – das war die klare Botschaft, mit der Coach Suikkanen seine erste Ansprache in der Kabine begonnen hat. Und das war aus seinem Mund nicht bloß eine Floskel. Er hat es tatsächlich geschafft, dieses Gefühl des Neuanfangs auf unseren Teamgeist, auf unsere Spielweise zu übertragen. Seit er uns coacht sind unsere Auftritte nicht mehr verkrampft. Er hat unserem Spielsystem die notwendige innere Ruhe zurückgegeben. Mit ihm sind wir auf einem guten Weg.

Der Wechsel nach Bozen war ein logischer Karriere-Schritt. Wären Sie auch bereit zum Sprung über den Brenner, wenn Ihnen eine andere Mannschaft aus der EBEL ein lukratives Angebot machen würde?
Na klar wäre es durchaus eine Überlegung wert, wenn so ein Angebot auf dem Tisch liegen würde. Allerdings stünden mit einem Wechsel meines Lebensmittelpunktes weg von Südtirol ein paar maßgebliche Änderungen an. Ich müsste mir dann Gedanken machen, wie es mit meinem Studium weitergeht, das ich derzeit an der Universität Bozen absolviere. Und außerdem würde ich dann auf größere Distanz zu meiner Familie und meiner Freundin gehen müssen. Faktoren, die eine solche Entscheidung stark beeinflussen würden. Aber wie gesagt: Wenn sich so ein Angebot ergäbe, würde ich gründlich darüber nachdenken.

Sie sind momentan im besten Eishockey-Alter. Welche sportlichen Ziele haben Sie sich  für die nächsten Jahre gesetzt?
Ganz einfach: Ich versuche, Spaß am Sport zu haben. Ich möchte weiterhin mein Bestes geben und mich laufend verbessern. Das Engagement beim HC Bozen ist eine Herausforderung, die mir sehr gefällt. Das gilt übrigens auch für meine Spiele mit der italienischen Eishockey-Nationalmannschaft. Die Berufung ins Team war ein wichtiger, ein sehr schöner Entwicklungsschritt für mich. Ich bin glücklich, dass es in den letzten Jahren eigentlich stetig aufwärts gegangen ist. So kann es ruhig weiter gehen.
(RAFE)