Der Cheftrainer des Schwimm-Teams beim SSV Bruneck ist zurückgetreten. Pirmin Pramstallers Abschied hinterlässt eine riesige Lücke, auf sportlicher und auf menschlicher Ebene. Er hat maßgebliches bewirkt, Bruneck ein Stück mehr zur Schwimmstadt gemacht und harte Widerstände gebrochen. Der Puschtra sprach mit Pirmin über seine Bilanz, seinen Abschied und das Leben danach.
Puschtra: 2017 hast du in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt, dass du schon öfters ans Aufgeben gedacht hast. Ist jetzt, nach nur zwei Jahren als Cheftrainer, das Fass endgültig übergelaufen?
Pirmin Pramstaller: Meine Ernüchterung von damals hatte vor allem mit Problemen zu tun, die ich mit dem Umfeld des SSV Bruneck hatte. Zu Beginn gab’s doch einige Reibungspunkte mit Partnern, den Betreibern des Schwimmbads und manchen Eltern der Nachwuchsschwimmer. Das ist aber definitiv nicht der Grund für meinen jetzigen Rücktritt. Vielmehr ging es bei meiner Entscheidung darum, dass mir im Spannungsfeld zwischen Familie, Beruf und persönlichen Bedürfnissen nur noch sehr schwer die nötige Zeit geblieben ist, um den Nebenberuf als Schwimm-Trainer mit vollem Engagement zu machen. Eben dort ist das Fass schon seit längerem übergelaufen.
Haben sich deine Schwierigkeiten aus der Anfangszeit gänzlich aufgelöst oder gab es da doch noch ein paar Überreste, die deine Entscheidung mit beeinflusst haben?
Die Unvereinbarkeit von Familie, Hauptberuf und Nebentätigkeit im Verein war zweifellos der wichtigste Faktor meiner Entscheidung. Aber ich will nicht verheimlichen, dass es auch andere Einflüsse gab, die zu meinem Abschied beigetragen haben. Wenn man mit Leib und Seele enorm viel Zeit in die Trainingsarbeit investiert – die meiste davon ehrenamtlich – dann frustriert es einen natürlich, wenn man als Dank vielfach nur einen Anschiss von ein paar unzufriedenen Eltern bekommt. Wenn man trotz aller Bemühungen hinterrücks kritisiert wird, wenn es schlechte Nachrufe anstatt konstruktiver Diskussionsbeiträge gibt, dann nagt das natürlich an der Moral und trägt dazu bei, dass man an Abschied denkt. Hinzu kamen auch noch Reibereien mit der Vereinsführung, die es auszutragen und auszuhalten galt. Es war also am Ende eine Summe von Gründen, die zu meinem Rücktritt beigetragen haben.
Trotz allfälliger Kritiken kann man deiner Arbeit aber keine Erfolglosigkeit vorwerfen, ganz im Gegenteil. Du hast das hiesige Nachwuchsschwimmen wieder zu Glanz und Medaillen geführt, und dennoch ist dein Ansatz, möglichst professionell, strukturiert und auch aufwändig zu trainieren, nicht immer auf Gegenliebe gestoßen…
Ich kann mich noch gut an ein Zitat aus den ersten Monaten meiner Arbeit erinnern. ‚Das kannst du doch nicht tun, das sind doch noch Kinder‘ hat man mir damals an den Kopf geworfen. Tatsache ist aber, dass ich meine Schützlinge stets mit Methoden trainiert habe, die ihrem Alter sowohl körperlich als auch mental absolut angemessen waren. Ich bin weißgott kein Sklaventreiber, der übertriebene Härte anwendet oder Menschen drillt. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man im nationalen und internationalen Schwimmsport nur dann erfolgreich sein kann, wenn man relativ früh mit strukturiertem Training beginnt. Ich glaube, das Problem für manche Eltern war vielmehr, dass mein zugegeben sehr zeitaufwändiger Arbeitsansatz den Kindern ab einem bestimmten Alter kaum noch Zeit ließ, mehrere andere Sportarten auszuüben, die Musikschule zu besuchen, bei den Pfadfindern dabei zu sein und nebenbei noch den schulischen Verpflichtungen nachzukommen. Nach einer vielseitigen Bandbreite an Bewegungserfahrungen im Kindesalter, muss der Fokus ab einem bestimmten Alter aber nur noch auf eine Tätigkeit gelegt werden, zumindest im Schwimmsport. Das ist aber leider nicht mehr in Mode bzw. nicht im Interesse der Eltern. Kinder haben heute oft einen engeren Terminplan als Erwachsene und müssen quasi tausend Sachen machen. Dieser Stress wird, so glaube ich, den Kindern aber auferlegt. Die Kinder selbst würden es vielleicht anders lieber wollen. Aber ich will an dieser Stelle schon auch jene Eltern erwähnen und ihnen danken, die mir Lob ausgesprochen haben für meine Arbeit, die meiner Philosophie gefolgt sind und die verstanden haben, worauf mein Konzept fußt.
Im Sommer 2017 hast du im Interview gesagt, dein Hauptziel sei es, im Schwimmsport in Bruneck wieder eine Athletenmentalität zu wecken, die Rienzstadt wieder für das Leistungschwimmen zu begeistern. Würdest du heute sagen: Ziel erreicht?
Ja, absolut. Ich denke dabei an unsere Resultate bei der diesjährigen VSS-Landesmeisterschaft im Juli. Erstmals nach ewig langer Zeit ist es den Junioren-Schwimmerinnen und Schwimmern des SSV Bruneck dabei gelungen, als drittstärkster Verein abzuschneiden. Darüber hinaus habe ich die ganze Saison hindurch von Trainern und Schwimmern anderer Vereine die Bestätigung bekommen, dass wir mit einem schlagkräftigen Team unterwegs sind. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Außerdem haben unsere Leistungen das Interesse wichtiger Sponsoren geweckt. Ich wurde von Funktionären der Raiffeisenbank angesprochen, die meinten, sie hätten gar nicht gewusst, dass es in Bruneck dermaßen starke Nachwuchsathleten gibt.
Konntest du in den vergangenen zwei Jahren die Strukturen im Verein so weit professionalisieren, dass dein Nachfolger/deine Nachfolgerin nahtlos an deine Arbeit anschließen kann?
Ich glaube, mein Nachfolger Dario Taraboi findet gute Strukturen vor. Beim seinem ersten Sichtungstraining, kurz vor der Übergabe der Trainingsleitung, hat er sich überrascht gezeigt über das hohe Niveau des Trainings. Insofern übergebe ich das Zepter mit ruhigem Gewissen. Tatsache ist aber, dass man stets noch etwas verbessern kann. Wäre ich noch länger geblieben, wären u.a. die Erhöhung des Trainingspensums, vor allem auf der Langbahn, sowie Projekte zum Teambuilding ganz wichtig gewesen. Auch bei der Kompetenzverteilung zwischen Trainern und sportlichem Leiter gibt es noch Verbesserungspotential. Am Ende war meine Maßgabe aber niemals das bloße Erreichen von Spitzenplätzen oder Bestzeiten, mir ging es hauptsächlich darum, ein Bewusstsein und die Mentalität für Leistungssport im Schwimmen zu schaffen. Das habe ich erreicht.
Wie haben deine Schützlinge reagiert, als sie von deinem Rücktritt erfahren haben?
Zum Glück niemand positiv. Es hat mich sehr berührt, als sie mir beim Grillen zum Abschluss der Saison einen sehr emotionalen, wehmütigen Abschied gegeben haben. Da waren bei vielen Beteiligten irgendwie Tränen in den Augen. Für sie und für mich waren die vergangenen zwei Jahre eine aufregende, sehr intensive Zeit. Ich werde meine Schützlinge vermissen.
Du warst Leistungschwimmer, hast zuletzt junge Athleten trainiert und wagst jetzt, mit 30 Jahren erstmals den Sprung weg vom Wettkampfsport. Kann ein Pirmin Pramstaller abseits der Schwimmbahn, als normaler Schwimmer überhaupt glücklich sein?
Ich erinnere mich an die Zeit, als ich mit dem aktiven Leistungsschwimmen aufgehört habe. Das war, gelinde gesagt, alles andere als leicht für mich. Die Umstellung von einem Extrem, sprich der Selbstverwirklichung und dem Ausloten von Grenzen, hin zum anderen Extrem, das darin bestand, ohne leistungssportliche Ambitionen zu leben, war schwierig. Insofern weiß ich nicht, wie ich mit dem jetzigen Einschnitt klar kommen werde. Mal sehen. Momentan fühlt es sich nicht schlecht an. Ich genieße vor allem die Zeit mit meiner kleinen Familie und meine persönliche Freizeit viel intensiver. Und bei meinen unzähligen, teils sportlichen Interessen wird mir so schnell wohl nicht langweilig werden. Ich weiß aber, dass es für mich für einen ordentlichen Abschied grundlegend ist, wirklich auf Distanz zu gehen. Deshalb werde ich nur mehr als Privatmensch Schwimmen gehen, ohne eine Funktion auszuüben.
Es wäre doch schade, soviel Kompetenz ungenützt zu lassen. Hat man dir von Seiten des SSV Bruneck nicht irgendeine andere Funktion angeboten?
Oh doch, das hat man sehr wohl. Ich hätte mir quasi aussuchen können, in welchem Bereich und in welchem Umfang ich weiter arbeiten möchte. Aber wenn ich eine Aufgabe übernehme, dann kann ich sie nur ganz oder gar nicht machen. Diese Grundeinstellung ist, wie bereits gesagt, nicht mit meiner momentanen Situation vereinbar. Ich habe eine Frau und ein kleines Kind sowie einen Beruf und alles zusammen lässt eine professionelle, zeitintensive Ausübung einer Tätigkeit im Schwimmbereich leider nicht zu. Aber eines kann ich versprechen: Ich werde stets ein Fan des SSV Bruneck bleiben und selbstverständlich werde ich so oft wie möglich ins Schwimmbad gehen um selbst ein paar Längen zu schwimmen. (RAFE)
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