„Gestern ist vorbei, was morgen ist, weiß niemand. Wichtig ist das Heute.“
Wir kennen Thomas Hainz aus dem Radio oder aus seiner Filmreihe Bergwelt von Rai Südtirol. Der Journalist und Filmemacher wohnt am Ritten, fühlt sich aber als Ahrntaler.
Warum fühlen Sie sich so sehr mit dem Ahrntal verbunden?
Ich bin in Bozen geboren und aufgewachsen, mein Vater ist ein Ahrntaler und arbeitete in Bozen. Jedes Wochenende und die Ferien verbrachten wir aber in St. Johann im Haus neben dem Kotterstegerhof meiner Großeltern, den mein Onkel als Bauer führte. Die Arbeit am Bauernhof machte mir Spaß, ich half im Stall, bei der Feldarbeit, manchmal willig, manchmal widerwilllig, jedenfalls fühlte ich mich im Ahrntal extrem wohl. Auch später noch war das Ahrntal immer mein ersehnter Rückzugsort. Ich erinnere mich, wie ich als Jugendlicher in einer Pfirsichplantage im Friaul arbeitete, in den freien Tagen fuhr ich per Autostopp aber ins Ahrntal, nicht heim nach Bozen.
Und wo fühlen Sie sich „daheim“?
Die Zeit meiner Kindheit und Jugendzeit haben mein Leben geprägt. Zu meinem wirklichen Zuhause in Bozen hatte ich nie das Gefühl, daheim zu sein. Das konnten auch meine längeren Aufenthalte in München, Wien und England nicht ändern. Heute lebe ich mit meiner Familie am Ritten. Wenn ich aber etwas mit Heimatgefühl verbinde, so ist dies das Ahrntal und die starken Erinnerungen dort, mit den Verwandten, die Sommertage auf der Alm meines Onkels. Fahre ich heute ins Ahrntal, kommt mir vor, ich käme heim.
Bekamen Sie durch das Ahrntal Ihre Liebe zu den Bergen?
Es war eigentlich eine ganz natürliche Entwicklung. In den Sommern auf der Alm ging ich auf Entdeckung und stieg immer höher hinauf. Auch meine Eltern waren gern am Berg unterwegs. Als 13-Jähriger ging ich mit meinem Vater und meiner Schwester auf den Schwarzenstein, das war ein schönes Erlebnis. Mit 17 dann meine erste Skitour in Weißenbach mit einem alten Paar Kneissl-Ski und den Seehundfellen meines Opas, Klebefelle gab es nicht.
Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
Ich studierte zwei Jahre Tiermedizin und wechselte dann auf Politikwissenschaft. Auch das war nicht das Richtige für mich. Schreiben fiel mir immer leicht, weshalb ich schließlich in München die Journalistenausbildung machte. Ich hatte das Glück, beim Bayerischen Rundfunk arbeiten zu dürfen und später noch bei der Austria Presse Argentur in Wien. Zurück in Südtirol erhielt ich einen Job bei der Rai. Es ergab sich dann auch, Filmproduktionen mit Zak Mairhofer und Rudi Kaneider aus dem Pustertal zu machen, was für mich eine schöne Zeit war. Im Internationalen Jahr der Berge 2002 trat man von der Rai an mich heran, ein Konzept für eine Alpinfilmreihe zu entwickeln, seitdem gibt es die Sendung Bergwelt fünfmal pro Jahr. Darin geht es nicht nur ums Bergsteigen, sondern um die vielen Facetten rund um den Berg.
Was wollen Sie im Bergfilm vermitteln?
Die Komplexität des Themas Berg. Es ist ein Lebensraum, ein gedanklicher Freiraum. Meine Botschaft ist: Lasst die Berge, Berge sein. Man muss nicht überall einen Zweck oder Profit darin finden oder ein Business daraus machen. Wir sind Besucher am Berg und müssen nicht überall unsere Zelte aufschlagen und Markierungspunkte setzen.
Was bedeutet für Sie der Berg?
Wenn ich beruflich am Berg unterwegs bin, ist das mit Anspannung verbunden, es muss das Wetter passen, das Licht und vieles mehr. Wenn ich in meiner Freizeit unterwegs bin, kann ich mich völlig gehen lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes kann ich mich selber gehen lassen. Es interessiert mich nicht unbedingt der Gipfel, oder wie schnell ich bin, sondern eigentlich nur das Erlebnis, die Landschaft genießen, die Seele gleiten lassen, die Zeit im Kosmos Natur verbringen. Der Berg ist im Gegensatz zu anderen Orten im Urzustand, im Winter noch mehr, als im Sommer.
Was ist für Sie im Leben wichtig?
Das Wichtigste sind meine Familie, meine Frau und die drei Kinder sowie enge menschliche Beziehungen. Wichtig ist für mich auch Zeit zu haben, die nicht immer konditioniert ist, für meine Familie, für Freunde. Das ist ein großes, gegenseitiges Geschenk. Für mich selbst kann das auch Holzhacken oder Gartenarbeit sein, jedenfalls Zeit, die auch mal ohne Stress und mit weniger Bedeutsamem gefüllt sein kann.
Gibt es Pläne für die Zukunft?
Ich verfolgte nie unbedingte Ziele, sondern habe Vieles auf mich zukommen lassen. Gelange ich an einen Punkt, wo mir mehrere Wege offen stehen, verlasse ich mich gern auf mein Bauchgefühl und verfolge nicht immer den Weg, der breiter und einfacher zu gehen wäre. Was ich auch immer meinen Kindern vermitteln will ist, dass ein Scheitern auch ein Gewinn sein kann, es bringt dich weiter und erweitert deinen Horizont. Du wächst an deinen Fehlern und findest dadurch auch deine persönliche Genugtuung, das Positive. Misserfolge muss man annehmen, daraus lernen, sie abhaken und Neues wagen. Erfolg ist für mich eine zufriedene Lebenssituation. Wenn man sich nicht wohlfühlt, muss man halt ein bissl am Radl drehen, und Gewisses im Leben ändern.
Was kommt für Sie in ein Bild mit einem Goldrahmen?
So ein Bild ist, wenn ich auf einem schönen, alten Weg gehe, einen unverbauten, unsanierten. Ich mag das Archaische. So ein Weg trägt viel Geschichte in sich, im Sinne des Wortes. Du meinst, die Zeit sei stehen geblieben, eine Zeit, die ich jetzt nicht romantisieren will, denn sie zeugt von einem frühen, harten Leben. Aber es war eine Zeit, wo die Geschwindigkeit im Leben geringer war, die Zufriedenheit aber größer. (IB)
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