Welsberg hat einige historische Baudenkmäler, darunter auch der denkmalgeschützte Zugbahnhof mit Hauptgebäude, Bahnwärterhäuschen und der Wasserstation. Während das Hauptgebäude für die Zugreisenden vor Jahren renoviert wurde, wird jetzt auch dem Bahnwärterhäuschen Leben eingehaucht.
Wenn man auf dem Gelände des Zugbahnhofs in Welsberg entlang spaziert, zieht ein Hauch von Nostalgie an einem vorbei: Das zweigeschossige Hauptgebäude mit Steinverkleidung wurde zwar komplett renoviert und steht heute den Zugreisenden der Pustertabahn zur Verfügung, hat aber an seinem früheren Reiz nichts verloren. Östlich davon erinnert die Wasserstation an die Zeit, als noch Dampflokomotiven hier entlangfuhren und im Westen steht das zweigeschossige Bahnwärterhaus, das nach 20-jährigem Leerstand nun neue Besitzer hat und in wenigen Monaten auch eine neue Bestimmung erhalten wird. Das ganze Ensemble steht unter Denkmalschutz und stammt aus der Zeit des Baues der Pustertalbahn im 19 Jahrhundert. Direktor der k.u.k. privaten Südbahn-Gesellschaft und Eisenbahnarchitekt Wilhelm von Flattich hat damals die Bahnhöfe umgebaut, erneuert oder jene an den neuen Linien neu gebaut, wie auch das Bahnwärterhaus in Welsberg.
Bahnwärterhaus mit Charme
Auf der Suche nach einem geeigneten Fotostudio als Arbeitsraum waren die Fotografen Caroline Renzler und Fabian Haspinger aus Welsberg-Taisten auf das Bahnwärterhaus gestoßen. „Die Idee für das Bahnwärterhaus war schon vor einigen Jahren da, wurde von uns aber wieder verworfen. Nach einiger Zeit sind wir aber darauf zurückgekommen, haben uns bezüglich Denkmalschutz informiert und den Schritt dann doch gewagt“, erzählt Bauherrin Caroline Renzler über die Anfänge des Bauvorhabens, das zuerst reifen musste. Vom historischen Flair begeistert war auch Bauherr Fabian Haspinger, der bei den Bauarbeiten auch selbst Hand angelegt hat. „Das Bahnwärterhaus stammt aus dem Zeitraum 1869/1871, als die Pustertal Bahn gebaut worden ist. Auch wenn es im Inneren einige Umbauten gegeben hat und einen Zubau aus den 70er-Jahren besteht, gehört es noch zu den ursprünglichen Bahnwärterhäusern in Südtirol. Im Außen ist das Haus noch historisch erhalten geblieben. Das Bahnwärterhäuschen hat auch mehrmals die Bewohner gewechselt und wir haben uns auf die Suche nach ihnen gemacht, um mehr über das Haus zu erfahren. Eine Familie fehlt uns jetzt noch…“, berichtet Fabian Haspinger. Nach den Sanierungsarbeiten, voraussichtlich im Sommer, werden die beiden hier ihren Traum von Fotostudio mit Workshopraum, Dunkelkammer usw. realisieren.
Architektin Gertrud Tauber im Gespräch
Frau Tauber, Sie sind seit 2018 Mitglied des Fachbeirates „Intelligente Flächennutzung“ der Plattform Land des Landes Südtirol. Welches Ziel verfolgt diese Plattform konkret?
Gertrud Tauber: Die Plattform Land verfolgt 2 Hauptziele: Zum einen die Steigerung der Attraktivität des ländlichen Raums. Im Vordergrund steht die Erhaltung der Lebensqualität in der Peripherie, welche Lebens-, Wirtschafts-, Arbeits- und Erholungsraum für über die Hälfte der Südtirolerinnen und Südtiroler ist. Dazu gehört die Sicherstellung von funktionierenden Diensten und Infrastrukturen, wie die Nahversorgung, soziale und medizinische Dienste oder schnelle Internetverbindungen. Entscheidend für den ländlichen Raum sind der Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen in erreichbarer Entfernung. Zum anderen die intelligente Flächennutzung: Bestehende Gebäude und Flächen sollen besser genutzt werden, um den Flächenverbrauch zu verringern, ohne dabei eine notwendige Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft zu verhindern. Die „Plattform Land“ möchte für die Herausforderungen im Hinblick auf die ländlichen Räume und die intelligente Flächennutzung sensibilisieren und die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen anregen.
Wie wird diese Möglichkeit der intelligenten Flächennutzung von der Südtiroler Bevölkerung angenommen?
Die Plattform Land hat im Sommer 2017 das Pilotprojekt Leerstandsmanagement gestartet, welches inzwischen in über 12 Gemeinden läuft. Zudem hat 2018 die Jahrestagung der Plattform Land zu diesem Thema stattgefunden, so dass es sowohl auf Landes- als auch auf Gemeindeebene mehrere Sensibilisierungsveranstaltungen gegeben hat, welche auf reges Interesse gestoßen sind. Das so neu geschaffene Bewusstsein für die intelligente Flächennutzung ist jedoch noch in zielgerichtetes Handeln umzuwandeln, da der Siedlungsraum in einem Land inmitten der Berge naturgemäß begrenzt ist. Dabei setzt sich die Plattform Land dafür ein, dass entsprechende Rahmenbedingungen (z.B. Sanierungsberatungen, Förderungen) verbessert werden.
Sie betreuen die Reaktivierung des Bahnwärterhauses in Welsberg. Was ist hier baulich/architektonisch nötig, um diese alte Bausubstanz wieder zeitgemäß nutzen zu können?
Unser Entwurf sieht keine großen Eingriffe vor, da die räumliche Aufteilung des Bestandes für die neuen Eigentümer und die zukünftige Nutzung als Fotostudio bestens geeignet ist. Technisch gesehen wird das Dach saniert, eine Wandtemperierung installiert, die Fenster werden teilweise saniert bzw. neue eingebaut. Das Bad und sämtliche Bodenbeläge werden erneuert.
Das Objekt ist denkmalgeschützt. Was ist für die Bahnhöfe und ihre Häuser im 19. Jahrhundert charakteristisch?
Das Bahnwärterhaus von Welsberg wurde im Zuge des Baus der Pustertaler Bahn Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Der Eisenbahnarchitekt Wilhelm von Flattich war Direktor der Hochbauabteilung der k.u.k. privaten Südbahn-Gesellschaft. Unter Flattichs Leitung wurden bestehende Bahnhöfe umgebaut oder erneuert und jene an den neuen Linien errichtet. Modular konzipiert und bis ins letzte Detail durchgeplant wurden die Steinrohbauten mit aufgesetzten hölzernen Giebelfeldern als farbigem Blickfang schnell zum Markenzeichen der Bahnlinie. Diese Elemente finden sich sowohl entlang der Brenner als auch an der Pustertaler Bahnlinie. Das modulare System sah weiters vor, dass die jeweils regional/lokal vorhandenen Baumaterialien verwendet werden und Einzelheiten/Details auch entsprechend angepasst werden können.
Welchen Mehrwert für die Bauherren und für die gesamte Gemeinde beinhaltet dieses Projekt-Beispiel? Die Bauherren schaffen sich mit diesem Projekt nicht nur einen neuen funktionalen Arbeitsraum, wo sie sämtliche Dienstleistungen anbieten können. Dieses architektonische Juwel wird ihnen als Markenzeichen dienen und versinnbildlicht ihre Haltung und ihren Zugang – auch in der Fotografie. Für die Gemeinde und die Bevölkerung wird bestehende Substanz genutzt, Infrastruktur und Arbeitsplätze bleiben in der Gemeinde, der ländliche Raum wird gestärkt. Die Dienstleistungen und Angebote der Fotografen sind jetzt schon eine Bereicherung für die Bevölkerung. Dass in Zukunft die Dienstleistungen (Fotografie, Workshops und Veranstaltungen) in diesen besonderen Räumlichkeiten stattfinden werden ist ein Gewinn für die Bewohner des Ortes und selbstverständlich für die Region. Orte mit einer guten Infrastruktur sind beliebte und belebte Orte.
Gibt es im Pustertal noch weitere historische Leerstände, die zurzeit reaktiviert werden?
Derzeit startet mit der Gemeinde Rasen-Antholz als Pilotort das INTERREG Projekt SHELTER, in welchem es vorrangig um die Sanierung von historischen Gebäuden geht. Derzeit laufen die Überlegungen gemeinsam mit der Gemeinde, welches Gebäude ausgewählt werden soll.
Was wären erste Schritte für Bauherren, die sich für die Sanierung eines denkmalgeschützten Leerstandes entscheiden?
Grundsätzlich geht es bei der Sanierung von Bestand (Leerstand) nicht nur um denkmalgeschützte Objekte. Die Sanierung von Gebäuden aus den 50er- oder 60er-Jahren oder von Gebäuden, die nicht unter Schutz stehen, ist für Eigentümer, Gemeinden und Orte ebenso ein ganz wichtiges Thema. Allgemein kann ich empfehlen, dass sich Eigentümer an Architekten/Architektinnen wenden, die Erfahrung in der Sanierung mitbringen. Vor allem wenn man als Eigentümer oft nicht weiß, was man mit dem Gebäude anfangen kann/soll, macht eine Beratung Sinn, denn meistens ist die Sicht von außen sehr hilfreich und neue Ideen können entstehen. Im Falle eines denkmalgeschützten Objektes empfehle ich, Kontakt mit dem Denkmalamt aufzunehmen, sobald das Nutzungskonzept klar ist und erste architektonische Ideen vorliegen. (TL)
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