5.000 Schutzmasken erhalten
8. Juni 2020
Neuland Pustertal
8. Juni 2020
Alle anzeigen

Die Ausnahme-Matura

Pustertal – Die Matura 2020 hat für viel Diskussionsstoff gesorgt. Die Corona-bedingte Lösung, die vor einigen Wochen präsentiert wurde, ist für die meisten gut annehmbar. Eins steht allerdings bereits jetzt fest: Die diesjährige Reifeprüfung wird wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

Heuer verlangt die Matura den Schülerinnen und Schülern wesentlich mehr an Reife ab als gewöhnlich. Schließlich ist der Anteil an Eigenstudium in diesem Jahr besonders hoch. Seit 5. März findet ausschließlich online-Unterricht statt – eine Herausforderung für Lernende und Lehrende gleichermaßen. „Wir sind ins kalte Wasser geworfen worden, und mit „wir“ meine ich: wir Schüler, die Lehrpersonen und auch die Eltern”, erinnert sich eine Maturantin aus Bruneck zurück. Umso wichtiger scheint es, dass die Lösung, die für die Matura 2020 erarbeitet wurde, angemessen und seriös ist. „Es ist keine Schnellsieder-Matura, sie ist das Ergebnis des 5-Jahres-Zykluses. Denn das Schulguthaben für die 3. und 4. Klasse zählt 60 Punkte, die Matura 40“, erklärt Bildungslandesrat Philipp Achammer. De facto wird nur der Lernstoff von den Maturantinnen und Maturanten abgefragt, der bis zum Lockdown vermittelt worden ist. Ein weiteres Novum: Die Prüfungskommission setzt sich aus sechs ausschließlich schulinternen Mitgliedern und einem externen Präsidenten zusammen.

Präsenz-Matura-Gespräch
Am 17. Juni geht es los. In Präsenz findet ausschließlich das Matura-Gespräch statt, für das pro Maturant/in rund 60 Minuten eingeplant sind. Dieses umfasst mehrere Bereiche: Begonnen wird mit einer Diskussion zu einer Aufgabenstellung aus den ursprünglich für die zweite schriftliche Prüfung vorgesehenen fachrichtungsspezifischen Fächern. Bis zum 1. Juni legen die betreffenden Lehrpersonen die Aufgabenstellungen fest und übermitteln sie digital den einzelnen Schülerinnen und Schülern. Diese wiederum mailen ihre Ausarbeitung zur jeweiligen Themenstellung innerhalb 13. Juni an die Mitglieder der Prüfungskommission. Dies wird sozusagen als „Ersatzarbeit“ für die zweite schriftliche Prüfung gesehen. In einem weiteren Prüfungsteil wird ein kurzer Text aus dem Fachbereich Deutsch diskutiert; genauso wird es im Fachbereich Italienisch abgewickelt. Außerdem wählt die Kommission im Vorfeld Impulsmaterial für die einzelnen Maturanten/innen anhand dessen diese ihre Fähigkeit, fächerübergreifend zu argumentieren, im Prüfungsgespräch unter Beweis stellen. Ebenso werden Erfahrungen in den Bereichen „Übergreifende Kompetenzen und Orientierung“ sowie „Politische Bildung und Bürgerkunde“ thematisiert.

Matura mit Vor- und Nachteilen?
„Ich glaube, dass der Fernunterricht, so wie er in den vergangenen Monaten abgelaufen ist, womöglich dazu beiträgt, dass die Unterschiede zwischen guten und weniger guten Schülern größer werden. Das Problem liegt dabei weniger am Fernunterricht selbst, sondern vielmehr der fehlenden Vorlaufzeit“, sagt eine Pustertaler Maturantin, die befürchtet, dass die diesjährige Matura aus genau diesem Grund Vorteile für leistungsstarke und Nachteile für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler haben könnte. Zu dem, was in der Tat nachteilig ist bei dieser Form der Reifeprüfung, äußert sich Bernhard Öttl, Lehrer für Technisch Zeichnen und Technologie sowie Vize-Direktor an der TFO Bruneck: „Was meines Erachtens nicht gut läuft bei der diesjährigen „Matura“, ist die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler. Das Training für ein fächerübergreifendes Gespräch ist im Fernunterricht nicht gut möglich. Und es fehlen drei Monate Instruktion, Übung, Feedback, Diskussion im sozialen Rahmen der Klassengemeinschaft, die von Chats und von Videokonferenzen nicht annähernd gleichwertig ersetzt werden können.“ Allerdings zeigt Bernhard Öttl auch Vorteile auf. „Was ich von heuer gerne mitnehmen würde, ist die Zusammensetzung der Kommissionen aus internen Lehrerinnen / Lehrern und nur einer Präsidentin / einem Präsidenten von außen“. Es gibt also doch etwas an dieser Ausnahme-Matura, das sich durchaus bewähren könnte. (SH)