„Am Berg bring ich meine Gedanken zum Fliegen.“
Kurt Walde ist seit Dezember 2019 Präsident der Landesberufskammer der Südtiroler Berg- und Skiführer und Wanderleiter Der 58-Jahrige verrät uns seine Leidenschaft zu seinem Beruf.
Ging mit dem Bergführerberuf für Sie ein Kindheitstraum in Erfüllung?
Nicht unbedingt. Durch den elterlichen Süßwarenbetrieb war es nahezu vorgegeben, mich als Konditor ausbilden zu lassen. Den Zugang zur Natur jedoch hatte ich schon als Bub, als wir Kinder unsere sogenannte Sommerfrische immer in Kasern oder Weißenbach auf einem Hof verbrachten und herumtollten. Die „Infizierung“ zur Natur geschah gewiss in dieser Zeit. In meiner Teenagerzeit machte ich Yoseikan Budo und unterrichtete diesen Sport auch. Mit der zunehmenden Mobilität durch die Erlangung des Führerscheins mit 18 Jahren, interessierten mich die Berge immer mehr. Kollegen nahmen mich mit und so kam ich zum Klettern. Ziemlich bald schon – anfangs aus einem gewissen Bestätigungsdrang – machte ich die Bergführerausscheidung und mit 23 die Bergführerprüfung. Seitdem ist es mein Beruf. Etwa zehn Jahre später wurde ich Ausbildner für Bergführer auf nationaler Ebene. Für längere Zeit war ich auch im Vorstand der Berufskammer in Südtirol und später in der nationalen Bergführerkammer tätig. Rund sechs Jahre arbeitete ich im Vorstand und als Vizepräsident der technischen Kommission der internationalen Vereinigung der Bergführerverbände IVBV / IFMGA.
Sie waren auch im Himalaya unterwegs…
In meinen jungen Jahren reizte es mich, ferne Berge und Kulturen kennenzulernen. Mit Lois Brugger gelang uns eine der schnellsten Besteigungen des Ama Dablam, meine erste Erfahrung im Himalaya. Vollgestopft mit Übermut und Adrenalin über die Westwand hinauf und auf der Normalroute hinab. Nun meinten wir den Schlüssel für die Achttausender in der Tasche zu haben, scheiterten dann aber an der Lhotse-Südwand. Zusammen mit Polen scheiterte ich auch bei einer Winterbesteigung des Nanga Parbat. 1988 gelang mir die zweite Besteigung der Südwand am Uli Biaho Tower (6109 m) im Karakorum in Pakistan. Als Bergführer unternahm ich auch Trekkings, so zum Basecamp des K2.
Was macht einen guten Bergführer aus?
Als Bergführer gilt es, sich in die Verfassung des Kunden einzufühlen und ihm einen schönen Tag in der Natur zu bieten. Dabei bedarf es einer Kombination aus Körper und Psyche, damit es für ihn ein schönes Erlebnis wird, ich die individuellen Möglichkeiten aus der Person herauskitzeln kann und nicht über deren Grenze gehe. Die Intensität des Bergtages hängt nicht von der Schwierigkeit einer Tour ab, sondern von der Balance der körperlichen und geistigen Empfindung. Die Empathie und die Wertschätzung für den Kunden ist eine Grundkomponente für den Bergführerberuf. Wenn ich Kunden ein tolles Erlebnis vermitteln kann, macht es auch mir eine große Freude. Und wenn ich allein unterwegs bin, genieße ich die Natur oft fotografierend oder einfach nur staunend. Ich erfahre so starke Empfindungen, die ich schwer beschreiben kann.
Bergführen ist ein extrem gefährlicher Beruf. Sie sind täglichen Gefahren wie Steinschlag, Gewitter oder Lawine ausgesetzt. Wie gehen Sie damit um?
In der nationalen Auflistung des Gefahrenpotentials für Berufe ist der Bergführerberuf nur im mittleren Risikobereich eingestuft. Dies ist wohl unter der Voraussetzung zu sehen, wenn mit Vernunft und mit Kontrolle der Situation vorgegangen wird, damit sich die Gefahr immer gut abschätzen lässt. Ein Restrisiko ist immer dabei, wie bei vielen anderen Berufen auch.
Welche Ziele setzen Sie sich als Präsident der Landesberufskammer und Bergführerverbandes?
Das Berufsbild noch mehr zu untermauern. Unser Land hat in der internationalen Alpingeschichte stets eine zentrale Rolle gespielt. Auch stand Südtirol Pate im Aufbau des Bergführerverbandes in Slowenien. Ebenso ist die Entwicklung des Tourismus ganz eng mit dem Alpinismus verknüpft.
Wir geht Bergführen in Zeiten von Corona?
Wenn wir alle – und dies gilt nicht nur für meinen Beruf – mit Disziplin und Respekt die Regeln einhalten, haben wir gute Karten, der Pandemie entgegenzutreten. Unsere Mitglieder haben wir eindringlich darauf hingewiesen. Die Einhaltung eines gewissen Abstandes ist durchaus möglich. Unangenehmer empfinden unsere Kunden mögliche Menschenansammlungen und die Enge in Hütten und fragen uns nach Alternativen. Den Lockdown betreffend sind die Einbußen in unserem Beruf gewaltig.
Sie und Ihre Kollegen verschenken 800 Bergtage für Heim- und Gesundheitspersonal. Ein tolle Aktion! Wie kam es dazu?
Über Medien und Bekannte erfuhr ich von der extremen Belastung durch Covit19 für das Personal in den Krankenhäusern und Seniorenheimen, das geht von Ärzten, Pflegern bis zum Küchen- und Reinigungspersonal. Ganz spontan kam mir die Idee, einer Person im Krankenhaus Bruneck eine Tour zu schenken. Das Feedback dieses geschenkten Bergtages war so gewaltig, dass ich ein Newsletter an meine Bergführerkollegen und Wanderleiter schickte mit dem Ansporn, mitzumachen. Sofort meldeten sich über 50 Kollegen und ebenso viele Wanderleiter aus allen Teilen des Landes und so können wir insgesamt 800 Gratisführungen anbieten. Einige Wander- und Bergtouren wurden bereits ausgeführt, die anderen werden im Laufe des Sommers unternommen. An der Aktion beteiligt sich jeder Bergführer von sich aus, ohne Zuschuss aus der öffentlichen Hand. Mein herzlicher Dank gilt allen Kollegen, die mitmachen! (IB)
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