Antholz – Patrick Oberegger war zu seiner Zeit selbst ein klasse Biathlet, hat sich in den letzten Jahren immer mehr einen Namen als Trainer in der Biathlonwelt gemacht. Nach Jahren mit der heimischen Nationalmannschaft, stellte sich der 42-jährige Biathlonlehrer aus Antholz einer neuen Herausforderung und hat seither den Posten als Chef der norwegischen Biathletinnen inne. Über seine Arbeit im hohen Norden, die Gründe für seinen Wechsel und seine persönlichen Aussichten für die Saison spricht er im Interview mit dem Puschtra.
Puschtra: “Du warst selbst aktiver Biathlet und hast es bis ins Nationalteam geschafft, der große Durchbruch ist dir aber verwehrt geblieben. Warum hast du mit dem Sport angefangen und wie fasst du deine aktive Zeit zusammen?
Patrick: Als waschechter Antholzer kommst du um dem Biathlonsport nicht drum herum, da bin ich einfach reingerutscht. Eines verlief zum anderen, vom Landeskader in die Juniorennationale, weiter zur Heeressportgruppe, bis hin ins Seniorenteam, wo ich auf einige Weltcupeinsätze gekommen bin. Mein großes Ziel waren die Olympischen Spiele von Turin. Trotz harter Arbeit erreichte ich nicht das Level, wo ich eigentlich hinwollte. Mit der Zeit begriff ich, dass nicht jeder dazu gemacht ist Weltmeister zu werden.
Da musste ich irgendwann einen Entschluss fällen. Mit 26 Jahren habe ich schließlich meine aktive Karriere beendet.
Wolltest du auf Anhieb eine Trainerlaufbahn einschlagen?
Ehrlich gesagt nicht unbedingt. Als ich mit dem Sport aufhörte, hat die Militärsportgruppe einen Trainer benötigt und sie sind da auf mich gekommen. Anfang Winter wurde eine Personalie in der Nationalmannschaft krank und ich bin für kurze Zeit als Servicemann eingesprungen. Aus einem Monat wurden zwei und so weiter. Ich habe meine Aufgabe wohl ganz gut hingekriegt, denn nach der Saison haben sie mich gefragt, ob ich denn nicht im Sommer beim Training mithelfen und im Winter fürs Material zuständig sein könnte. So bin ich in den Trainerstab gerutscht; ich hatte einfach viel Glück und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nebenbei absolvierte ich die verschiedenen Trainerscheine auf nationaler und internationaler Ebene, habe mich auch anderweitig fortgebildet und wurde zu guter Letzt Trainer der Weltcupmannschaft. Schon als Athlet war ich ein Tüftler beim Material, habe die Trainingslehre hinterfragt und neue Methoden ausprobiert. Ich glaube die Tatsache, dass ich mir als Athlet alles akribisch erarbeiten musste und mir nichts einfach zugeflogen ist, hat mir dabei geholfen ein besserer und verständnisvoller Trainer zu werden.
Nach erfolgreichen Jahren als Trainer der italienischen Nationalmannschaft hast du nach den Olympischen Spielen 2018 das Vertragsangebot aus Norwegen erhalten, wie ist dieser Wechsel zustande gekommen?
Nach einer olympischen Saison erfolgt meisten ein Umbruch in einer Mannschaft und der vierjährige Vorbereitungszyklus beginnt von neuem. Ich hatte bereits an Angebot von den Norwegern vorliegen, habe aber immer nein, nein, nein gesagt. Nach den Spielen von Pyeongchang habe ich mich zuerst mit dem italienischen Verband zusammengesetzt und über den Aufgabenbereich und die Aussichten diskutiert. Als aber von deren Seiten nicht viel Konkretes gekommen ist habe ich mir das Angebot Norwegens genauer angeschaut. Eine solche Chance würde sich mir vielleicht nie wieder bieten, ich bin noch jung und habe keine Familie, wenn nicht jetzt wann dann, sagte ich mir. Schließlich entschied mein Bauchgefühlt.
Dein Entschluss zu wechseln wurde auf italienischer Seite nicht von allen gut aufgefasst!
Es war mit Sicherheit keine leichte Entscheidung, ich hatte in Italien ein super Team, dem ich viel zu verdanken habe und das mir die Möglichkeit, so einen Posten zu ergattern, überhaupt erst ermöglicht hat. Im Endeffekt war es aber für beide Seiten die richtige Entscheidung. Manchmal kann ein Tapetenwechsel neuen Schwung in ein Team bringen und viel bewirken. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich der Richtige bin, um die Italiener nach all den Jahren nochmals auf ein höheres Level zu heben, im Nachhinein haben die Resultate für sich gesprochen.
Wie hast du dich im Mutterland des nordischen Skisports eingelebt, wie fällt der Vergleich zu Italien aus?
Ich sage immer: “Es ist nicht besser oder schlechter, es ist anders!”. In Norwegen hat das Langlaufen oder Biathlon einen ganz anderen Stellenwert wie in Italien, es sind die Sportarten Nummer Eins im Land, vor Fußball wohlgemerkt. Damit steigt aber auch die Erwartungshaltung. Wenn da noch ein Ausländer den Posten als Cheftrainer übernimmt, hat schon der ein oder andere die Zähne geknirscht. Doch wir Italiener werden hier hoch angesehen, mit mir sind ja auch zwei Skimänner und ein Physiotherapeut mitgekommen. Als ich vor zwei Jahren angefangen habe, waren vor allem die norwegischen Damen im internationalen Vergleich etwas abgerutscht. Das Ziel lautete Norwegen wieder als weltbeste Biathlonnation zu etablieren, besonders auf eine geschlossene Teamleistung in den Staffeln und der Nationenwertung liegt hier ein besonderes Augenmerk. Dass es bereits in meinem ersten Jahr so ausgezeichnet läuft, hätte ich nie erwartet. Vielleicht lief es sogar etwas zu gut, wir haben zum Beispiel saisonsübergreifend sieben oder acht Staffeln hintereinander gewonnen, was es noch nie zuvor gegeben hat. Dann wird man aber auch immer an solchen Erfolgen gemessen, jeder kleine Ausrutscher fällt da noch höher ins Gewicht.
Nun arbeitest du täglich mit einigen der Weltbesten Biathletinnen zusammen, was reizt dich an deinem Job?
Der größte Unterschied zum Italienischen System ist, dass hier alle Sportler und Trainer Freiberufler sind und dadurch selbst schauen müssen, etwas durch den Sport zu verdienen. Das bedeutet für mich, dass ich hier mein eigener Boss bin, aber auch, dass die Bequemlichkeit eines Fixgehaltes, wie es in Italien bei der Militärsportgruppe der Fall war, nicht mehr gibt. Mit solchen Ausnahmeathleten zusammenarbeiten zu dürfen ist natürlich ein Privileg, dieses Talent im Team zu haben erleichtert meine Arbeit. Dennoch muss ich ständig am Ball bleiben, mich laufend weiterentwickeln, um im Training immer wieder etwas Neues bringen zu können. Ich habe mehr Entscheidungsfreiheit wie in Italien, muss aber dementsprechend professionell arbeiten und abliefern.
Mit Tiril Eckhoff und Marte Olsbu Roiseland haben sie zwei der allerbesten Biathletinnen im Team, wie ist die Stimmung im Team, gibt es zwischen diesen beiden einen ähnlichen Konkurrenzkampf wie zwischen Dorothea Wierer und Lisa Vittozzi?
Ähnlich wie bei den Italienern haben wir einen super Teamspirit, was das Fundament einer erfolgreichen Arbeit ist, da du das gesamte Jahr über gemeinsam unterwegs bist. Manche kommen besser, andere nicht ganz so gut miteinander aus, wie halt überall. Es sind nicht alle beste Freundinnen, das verlangen wir auch nicht, trotzdem ist der gegenseitige Respekt groß. Auf der Loipe will natürlich jede die Beste und logisch niemand die Schlechteste im Team sein.
Was traust du den südtiroler Athleten und Athletinnen zu?
Wenn nicht eine unserer Athleten ganz oben steht, dann soll es eine Südtriolerin sein. Natürlich freue ich mich ganz besonders mit, wenn meine alte Mannschaft Erfolge feiert, da verbindet einen ja zu viel mit seiner Heimat. Ich hoffe, dass sie auch heuer wieder in Niveau halten können und die eine oder andere noch eine Schippe drauflegen kann! Biathlon ist so eine komplexe Sportart, da kann so vieles so schnell passieren, das Schöne ist dabei aber, dass zum Schluss der oder die Beste gewinnt.
Das lästige Corona-Thema ist allgegenwertig, zuletzt äußerte Domenik Windisch seine Skepsis. Mit welchem Gefühl startest du in diese außergewöhnliche Saison?
Klar kommt die Pandemie immer näher an einen heran, mittlerweile kennen die Meisten schon jemanden im Bekanntschaftskreis, der positiv getestet wurde. Dennoch bin ich recht zuversichtlich, dass wir die Saison einigermaßen normal durchziehen können. Wenn sich alle geschlossen an die Maßnahmen halten, was hier gar in Norwegen gar kein Thema ist und die Veranstalter die Vorgaben gut umsetzten, sollte einer spannenden Saison nichts im Wege stehen. Die Olympiageneralprobe in Peking wurde bereits abgesagt, die Rennen in Hochfilzen stehen auf der Kippe. Der Wintersport hat vor allem hier in Norwegen einen so hohen Stellenwert, dass die Leute auf jedes Wettkampf-Wochenende hin fiebern. Die Leute hier sind “stuff” von Corona, die Tage sind im hohen Norden um einiges kürzer, es ist finster, die meisten arbeiten mittlerweile von zuhause aus, da sind die Wettkämpfe eine wohltuende Ablenkung von den Problemen im Alltag.
Wie schaut deine persönliche Zukunft aus?
Persönliche Ziele sind als Trainer schwer zu definieren, mein Vertrag läuft noch bis zum Ende der olympischen Saison 2022. Momentan plane ich nur von Tag zu Tag, mir geht es gut, ich fühle mich wohl hier, habe ein gutes Umfeld und langweilig wird mir bei meiner Arbeit bestimmt nicht. Klar, manchmal gehen einen die Familie und die Kollegen zuhause schon ab, aber ich wusste ja genau auf was ich mich im Trainerberuf eingelassen habe. Überhaupt die Lebensqualität in Südtirol lernt man erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat, sei es die Küche oder die Berge. Was danach kommt wird sich zeigen, vielleicht tut sich hier oder da wieder eine neue Tür auf oder vielleicht will ich in zwei Jahren etwas ganz anderes von meinen Leben. Meistens kommt es sowieso anders als man es geplant hat!
Vielen Dank für das nette Gespräch und alles Gute für die Zukunft! (MT)