Einst war es selbstverständlich selbst Brot zu backen, es zu lagern und das ganze Jahr über zu verzehren. Heute ist die traditionelle Herstellung von eigenem Brot eine Seltenheit, doch im Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim und auf dem Wagmannhof in Terenten weiß man noch, wie die Pustertaler “Breatlan“ gelingen.
Es gibt fast keinen besseren Geruch, als jenen von frischem Brot, das gerade den Backofen verlässt. Für den guten Geruch ist das Gewürz zuständig, das in den Brotteig kommt, weiß Elisabeth Pichler, Bäuerin des Wagmannhofes in Terenten. Seit 20 Jahren bäckt sie mehrmals im Jahr ihre “Breatlan“ selbst und zeigt auch Besuchern, wie die Herstellung von eigenem Brot funktioniert. Eigentlich wollte Elisabeth Pichler „nie selbst Brotbacken“, wie sie im Gespräch verrät, denn die Erinnerungen an diese mühsame Arbeit haben sie lange begleitet. „Aber heute stehe ich mit Begeisterung vor meinem Backofen“, sagt sie zufrieden.
Das “Hefl“
Die Wagmannbäuerin fertigt ihren Brotteig so: Der Sauerteig wird bereits vier Tage vor dem Brotbacktag zubereitet. Dafür wird warmes Wasser mit Buttermilch oder Naturjogurt, vorwiegend Roggenmehl, aber auch etwas Weizenmehl zu einem dickflüssigen Brei verrührt. Dieser Vorteig wird dann in einen temperierten Raum gestellt und täglich eine kleinere Menge Wasser und Mehl hinzugefügt. Am 4. Tag ist der Vorteig bzw. Sauerteig zur Weiterverarbeitung bereit. Und weil der Teig gut durchgearbeitet werden muss und sich beim „Gehen“ das Volumen verdoppelt, kommt er in ein größeres Holzgefäß, den „Säuratmittn“. Nun beginnt die Fertigstellung des eigentlichen Brotteiges. Dafür benötigt es noch eine größere Menge warmes Wasser, Germ, Salz, verschiedene Gewürze wie z.B. Anis, Kümmel, Fenchel, Koriander, Brotklee, sowie Roggenmehl und anstelle von Weizenmehl wird heute weitgehend Dinkelmehl verwendet. Nun beginnt das Teigkneten: Mit kräftigen Handbewegungen wird das Teiggemisch von rechts nach links und umgekehrt so lange durchgearbeitet, bis ein klebriger Teig entsteht. Dieser Arbeitsvorgang dauert 20 bis 30 Minuten, denn je länger der Teig geknetet wird, umso lockerer wird das Brot. Nun darf der Brotteig zugedeckt so lange ruhen, bis sich die Teigmenge verdoppelt hat.
Der Backtag
Die Altbäuerin erzählt, dass Früher zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, Brot gebacken wurde. Heute bäckt Elisabeth dann, wenn ihr das “Brot ausgegangen“ ist (lacht). Am Vorabend des großen Backtages wird der Backofen schon mal vorgeheizt, um am nächsten Tag schneller die erforderliche Hitze zu erhalten. Während der ausgiebig geknetete Brotteig ruhen und aufgehen kann, wird der Backofen am Backtag erneut mit Fichten- und Lärchenholz aufgeheizt und während des Brennvorgangs Glut und Kohlestücke immer wieder im Ofen verteilt, um überall eine gleichmäßige Hitze zu erhalten. Nach ca. drei Stunden, wenn sich das Gemäuer des Gewölbes weiß gefärbt hat, weiß die Wagmannbäuerin, dass die Temperatur an die 220/230 Grad beträgt und der Backofen die richtige Hitze für‘s Brotbacken hat. „Dann wird der Ofen mit der “Ofenkrucke“ und der “Ofenzussl“ gesäubert und die vorher geformten Brotlaibe auf der “Flegge“ zum Backofen getragen und mit der Ofenschüssel in den Backofen hineingeschossen.“ Der Backofen am Wagmannhof fasst an die 100 “Breatlan“ und der Backvorgang dauert ca. 30 bis 45 Minuten. In den ersten zehn Minuten stellt die Bäuerin auch noch eine Schüssel mit Wasser in den Ofen, um die Kruste des Brotes zu beeinflussen. „So wird das Brot mit Feuchtigkeit versorgt und die Kruste wird weicher.“ Um zu bestimmen, ob das Brot gebacken ist, wird die Klopfprobe gemacht: „Wenn ich an die Unterseite des Brotes klopfe und es klingt hohl, dann ist es gebacken“, sagt Elisabeth Pichler. Bevor das Brot den Ofen verlässt werden die Laibe noch mit einem langen Besen auf der Oberseite mit Wasser benetzt. Nachdem die Brotlaibe den Backofen verlassen haben, bleiben diese noch auf den “Fleggn“ zum Abkühlen, anschließend werden sie eingefroren.
Es war einmal…
Der Mond und das Wetter spielte in früheren Zeiten beim Brotbacken eine große Rolle: „Brot gebacken wurde vorwiegend bei Vollmond und bei schönem Wetter“, erzählt die Seniorbäuerin. Ein feuchtes Wetter oder Regenwetter sei schlecht zum Trocknen des Brotes gewesen und bei Vollmond oder zunehmenden Mond sei der „Säuratmittn“ voller geworden. Auch glaubte man, dass das Brot nicht während der Blüte des Kornes gebacken werden sollte, da dieses zu schimmeln anfing. Im Advent soll nach alten Überlieferungen auch nicht gebacken worden sein, weil das Brot an diesen Tagen nicht hart wird. „Meine Mutter hat zum Beispiel als Zutat in den Teig immer auch einen Schuss Weihwasser gegossen und als der Teig fertig geknetet war ein Kreuzzeichen darauf gemacht. Wenn das Brot dann im Backofen eingeschossen war wurde früher, wie auch heute, noch bevor die Tür des Backofens geschlossen wurde, ein Kreuzzeichen gemacht und ein Segensgebet gesprochen“, erzählt Elisabeth Pichler. Ansonsten kann sich die Wagmannbäuerin auch noch an andere Begebenheiten in ihrer Kindheit erinnern. So hätten ihre Eltern nur zweimal im Jahr, dafür aber zwei Nächte und einen Tag lang Brot gebacken. Die Menge war damals auch üppiger, neun bis zehn Öfen Brot war zu diesen Zeiten üblich, denn es sollte schließlich das ganze Jahr über ausreichen. Die ganze Familie sei an diesem Geschehen beteiligt gewesen und die Kinder seien vorwiegend zum Brottragen eingeteilt worden. „Der Backofen stand abseits des Hauses und wir mussten mit einem Korb die ‘Breatlan‘ vom Ofen bis zum Dachboden bringen, wo sie in den ‘Brotruhmen‘ gelagert wurden.“ Dass die “schöne Seite“ des Brotes immer nach Süden ausgerichtet sein musste, weiß Elisabeth Pichler noch, aber warum die “Breatlan“ nur so in die “Ruhme“ kommen durften, kann sie heute nicht mehr sagen. Eine sehr anstrengende Arbeit sei das „Säuratmittn-Rühren“ gewesen und deshalb wollte keiner diese Aufgabe übernehmen, erinnert sich die Wagmannbäuerin. Das Brot wurde täglich zu unterschiedlichen Mahlzeiten gegessen und war nahezu in allen Mahlzeiten enthalten. Als Jausebrot mit Marmelade sei es in die Schule mitgenommen worden und auch mit weißem Brot anderer Kinder ausgetauscht worden, „weil es früher wenig weißes Brot gab“, erinnert sich die Bäuerin. Heute gesteht Elisabeth Pichler auch, dass sie als Kind mit ihren Geschwistern, auf den Nachbarhöfen vor dem Backtag die “Ofenzussl“ oder die “Ofenschüssel“ versteckt hat. „Wir haben die Geräte dann natürlich wieder zurückgegeben, sodass mit der Arbeit rechtzeitig begonnen werden konnte.“
Landesmuseum für Volkskunde
Ein Ort, wo die Besucher heute noch miterleben können, wie früher Brot gebacken wurde und wo die entsprechenden Gerätschaften dazu bestaunt werden können, ist das Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim bei Bruneck. Hier wird den Besucherinnen und Besuchern in der Veranstaltung „Vom Korn zum Brot“ gezeigt, welchen Weg das Korn zurücklegt, bis es zum Brot wird. Beliebt ist diese Veranstaltung besonders bei Schulklassen, wie die Verantwortlichen im Museum mitteilen.
Der Backofen
Der Backofen auf dem Wagmannhof sei mehrere hundert Jahre alt, wie die Bäuerin betont. Die Zeichen der Zeit hätten an diesem Bauwerk nicht Halt gemacht und deshalb musste der Backofen vor ca. 20 Jahren völlig neu aufgerichtet werden: „Er hat eine neues Dach erhalten und wurde innen ausgemauert“, erzählt sie. Ihr Backofen steht etwas abseits des Hofes, so wie bei vielen Höfen im Pustertal. Wie die Terner Bäuerin erzählt, hatten fast alle Höfe einen eigenen Backofen, als sie ein Kind gewesen war. Auf jedem Hof sei Korn geerntet zu Mehl verarbeitet und eigenes Brot gebacken worden. Der Backofen besteht aus einem Stein- oder Lehmgwölbe, das sich über einen Pflasterboden aus Steinen oder Ziegeln befindet. Das Gewölbe wird von einem Dach aus Schindeln von Witterungseinflüssen geschützt.
Die “Ofenkrucke“
Als “Ofenkrucke“ wird ein Gerät aus Holz, mit einem langen Stiel und einem Holzbrett bezeichnet. Die “Ofenkrucke“ wird dazu verwendet die abgebrannten Kohlestücke und die Asche aus dem Ofen zu holen.
Die “Ofenzussl“
Hier handelt es sich ebenfalls um ein Gerät, mit dem der Backofen gesäubert und für den Backvorgang vorbereitet wird. An einem langen Holzstiel werden Stofflappen befestigt, diese werden nass gemacht und nachdem die Kohlestücke mit der Ofenkrucke entfernt wurden der Boden des Backofens gut gesäubert. Die “Ofenzussel“ wird auch als “Ofenzuise“ bezeichnet.
Die “Ofenschüssel“
Mithilfe des “Schießers“ auch “Ofenschüssel“ oder “Ofenschaufel“ genannt, werden anschließend die Brotlaibe einzeln in den Ofen “eingeschossen“ und dort gebacken.
Die “Ruhme“
Die Brotlaibe wurde nach dem Abkühlen in die “Ruhme“ oder „Rehm“, ein aus Holz angefertigter Rahmen/Brotständer, zur Aufbewahrung gegeben. Diese Brotrahmen wurden in einem trockenen oder gut belüfteten Raum aufgestellt. Ein solcher Ort war auf den Höfen meist auf dem Dachboden zu finden, wo das Brot vor Mäusen und vor Schimmel geschützt war.
Die “Brotgrammel“
Je länger das Brot lagerte, umso härter wurde es. Deshalb wurde zum Zerteilen in mundgerechte Stücke die “Brotgrammel“ verwendet. Dies war ein kastenförmiger Behälter aus Holz in dessen Mitte ein bewegliches Messer zum Zerteilen des harten Brotes befestigt war. Zum “Neuner“ (am Vormittag) und zur “Marende“ (am Nachmittag) wurden jeweils Milch mit Bröcken verzehrt.
Der “Säuratmittn“
Hierbei handelt es sich um einen aus Holz gefertigten Behälter, in dem der Sauerteig für das Brot zubereitet wurde. Der “Säuratmittn“ wurde auch als “Melterle“ bezeichnet und hatte auch einen Deckel.
Die “Fleggn“
Auf die “Fleggn“, die Brotbretter, wurden die noch rohen Brotlaibe gelegt, darunter waren Tüchern aus Leinen, die mit Mehl bestäubt wurden. Um die “Fleggn“ zum Backofen zu bringen müssen mindestens zwei Personen anpacken. (TL/ Begriffserklärungen Gerätschaften: Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde)
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