Im Gebiet an der Grenze zu Moldau und der Ukraine, das auch als “Armenhaus Europas“ bezeichnet wird, ist Elsa Wolfsgruber seit über zwei Jahrzehnten damit beschäftigt, Waisenkindern ein besseres Leben zu bieten. Die Präsidentin des Vereins „Kinder in Not“ erzählt, wie ihre Rumänienhilfe begann und was daraus bis heute gewachsen ist.
Puschtra: Frau Wolfsgruber, vor 21 Jahren haben Sie mit drei anderen Frauen den Verein „Kinder in Not“ gegründet! Wie ist es dazu gekommen?
Elsa Wolfsgruber: Bevor ich den Verein 1999 gegründet habe, hat es in Bozen einen anderen Verein gegeben, der im Sommer rumänische Waisenkinder zur Erholung nach Südtirol brachte. Weil eine Familie im letzten Moment abgesagt hat, kam ein Kind nicht mehr unter und ich wurde kontaktiert. Ich habe diesen sechsjährigen Jungen dann bei mir aufgenommen und er hat den Sommer bei mir und meiner Familie verbracht. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits die drei Kinder meiner verstorbenen Schwägerin bei mir und ich hatte noch ein eigenes Kind. Nach diesem Sommer begleitete ich dann diese Waisenkinder nach Rumänien zurück und sah das Ausmaß des Elends mit eigenen Augen. Ich war geschockt und werde dieses Bild nie mehr vergessen: 400 Kinder waren in einem Waisenhaus hineingepfercht, das wohl eher einem Stall glich als einem Haus, keine WC-Anlagen oder Fenster, geschweige denn eine Heizung waren dort vorhanden. Diese Kinder waren vollkommen verwahrlost und erkrankten häufig an Hepatitis und Tuberkulose, was anschließend zum Tod führte. Wir wollten vor Ort helfen und nicht nur einige Kinder im Sommer nach Südtirol bringen. Zu dritt haben wir dann in diesem Jahr zu Weihnachten 400 Geschenkpakete organisiert und sie in das Dorf Pomirla gebracht, wo sich das Waisenhaus befand. 1999 haben wir uns dann als Onlus Verein „Kinder in Not“ in Südtirol eintragen lassen.
Was war das erste Projekt, das der Verein in Angriff genommen hat?
Ein Jahr nachdem ich zum ersten Mal in Pomirla war, brannte das Mädchenheim dort ab. Rund 100 Mädchen waren obdachlos geworden, konnten aber vorerst, dank der Hilfe der Heimleiterin, bei Familien in Pomirla untergebracht werden. Obwohl diese Familien auch nur in Lehmhütten von etwa zehn Quadratmeter Wohnfläche wohnten, ließ sich doch noch ein Platz für ein Waisenkind finden. Wir haben dann als Verein „Kinder in Not“ in Südtirol für Patenschaften geworben und auch Hilfe erfahren. Mit den Spenden wurde dann das “ Haus der Familie“ von Pomirla gebaut, wo 30 Waisenkinder im Alter zwischen drei und 16 Jahren familiäre Verhältnisse vorfinden. Die Einrichtung verfügt über fließend Wasser, beheizbare Räume und sanitäre Anlagen. Pomirlas Waisen werden hier von Frauen aus dem Dorf liebevoll betreut, im 2009 zugebauten Wintergarten spielen oder gemeinsam lernen und Aufgaben erledigen.
Der Verein ist ehrenamtlich aufgebaut. Woher kommen die finanziellen Mittel, um die Hilfsprojekte zu realisieren?
Das “Haus der Familie” konnte damals mit Unterstützung der Provinz Bozen realisiert werden und finanzielle Mittel kommen auch von der Region. Dazu haben wir das Konzept der Patenschaften für Waisenkinder ins Leben gerufen: Eine Patenschaft kostet 35 Euro im Monat. Dazu kommen noch Patenschaften für Familienprojekte. Als Verein organisieren wir dann noch Benefizkonzerte, Veranstaltungen und Feiern. Dann gibt es noch Sachspenden, die abgegeben werden können und den Kindern dann zugute kommen.
Mittlerweile kann der Verein auf ein Team bauen: Wer hilft bei dieser ehrenamtlichen Arbeit alles mit?
Albin Innerhofer, Gertraud Marcher, Hildegard Rogger, Andreas Wolfsgruber und ich gehören zum engsten Kreis des Teams. Ansonsten helfen viele ehrenamtliche Mitarbeiter und viele andere Helfende Hände mit, um so helfen zu können. Dazu zählt der Verein jetzt an die 300 Mitglieder.
Welche Einrichtungen und Strukturen konnten Sie gemeinsam mit Ihren Helfern in 21 Jahren auf die Beine stellen?
Inzwischen hat sich vieles getan: nach dem Haus der “Familie“ wurde ein Wohnheim für Waisenkinder und das Sozialhaus “Anni und Heinz” für das ganze Dorf errichtet. Dazu wurde noch ein Heim für die Straßenkinder in Bukarest gebaut. Rumäniens Hauptstadt ist nämlich ein sozialer Brennpunkt, wo besonders viele Kinder am äußersten Rand der Gesellschaft leben. Als Zufluchtsort ist der “Bauernhof Arche“ gedacht, weil die Jugendlichen nach Vollendung des 18. Lebensjahres das Waisenhaus verlassen müssen. Ein alter aufgelassener Bauernhof wurde gekauft und saniert, um den Jugendlichen Arbeit und eine Perspektive zu geben. Neben dem Waisenhaus führt der Verein auch zwei Wohnungen in Pomirla, die 2002 bzw. 2003 bezogen wurden und in denen insgesamt 23 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 16 Jahren betreut werden. Um zusätzliche Schlafräume für Jugendliche zu schaffen, wurde ein Container Haus oberhalb des Bauernhofes, das so genannte „Zehner Haus“ und ein Sommerhaus für Gäste des Bauernhofs errichtet.
Helfen ist in Corona-Zeiten schwieriger geworden! Wie sieht die Situation momentan in Rumänien aus?
Die Lage hat sich mit Corona deutlich verschlimmert, weil nicht alles geschlossen wurde und natürlich viele Menschen krank wurden. Auch im Waisenhaus waren viele Kinder krank, diese wurden in das Auffanglager “Bauernhof Arche“ gebracht, wo wir für die nötige Ausrüstung, wie Masken, Desinfektionsmittel usw. gesorgt haben.
In Corona-Zeiten wird von Krise, aber gleichzeitig auch von Chance gesprochen! Welche Chancen bietet das momentane Geschehen diesen Kindern?
Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen in Rumänien kann ich sagen, dass die Corona-Krise auch positive soziale Auswirkungen sowohl für das Zusammenleben der Kinder untereinander, als auch im Umgang mit den Betreuern hatte. Die Kinder waren ausgeglichener, ruhiger und hilfsbereiter. Es wurde sehr viel gelesen, was sonst nie der Fall war. Da es auch in Rumänien nicht immer Präsenzunterricht in der Schule gab, hatten die Kinder die Möglichkeit den Umgang mit dem Computer zu lernen. Die Schulerfolge haben sich stark gebessert.
In einem Ihrer Statements haben Sie gesagt, „Bei so viel Not konnte man einfach nicht mehr wegschauen“! Finden Sie, dass in unserer Gesellschaft mehr geholfen werden könnte?
Ich finde, dass die Menschen in Südtirol schon spendenfreudig sind und ein offenes Herz haben.
Mit drei Mädchen der 5. Klasse der Landeshotelfachschule (LHFS) Bruneck haben Sie gerade ein Sachspenden-Projekt am Laufen?
Ich bin sehr stolz, dass junge Menschen sich bereit erklären so ein Projekt in Angriff zu nehmen und selbst mitzuhelfen. Zudem sind wir immer auch auf der Suche nach Jugendlichen oder Studenten, die im Sommer auch einmal in so einer Struktur mitarbeiten möchten.
Welche weiteren Hilfs-Projekte haben Sie schon im Kopf?
Um den vielen Straßen- und Kanalkindern von Rumänien eine Perspektive zu bieten haben wir eine neue Wohnung in Bukarest gebaut und es würde noch eine brauchen…Unsere Anstrengungen gehören momentan auch einem Kind, das durch Missbildungen eine Operation benötigen würde und da sind wir dran ein Krankenhaus und Ärzte dafür zu finden. Zwei Kindern konnten so schon geholfen werden. Ansonsten gehen unsere bestehenden Projekte immer weiter…
„Für mich ist Helfen zur Berufung geworden“, so eines Ihrer Zitate! Was bedeutet diese Berufung für Sie?
Durch diese Hilfe wird man einfach ein anderer Mensch, man wird durch diese Liebe, die da zurückkommt glücklich. Dieses Gefühl lässt sich eigentlich gar nicht beschreiben – Es ist einfach schön, wenn man jemand helfen darf.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass diese Menschen durch unsere Unterstützung eines Tages so weit kommen, dass sie sich selbst helfen können und dass sich die Politik in ihrem Land mehr für diese Kinder und Familien einsetzt.
Rumänien-Projekt der 5. Klasse der Landeshotelfachschule (LHFS) Bruneck
Die drei Schülerinnen Verena Hofer, Nora Gräber und Anna Oberleiter der LHFS in Bruneck haben sich entschieden durch ihr Maturaprojekte die Kinder des Waisenhauses in Pomirla zu unterstützen. „Wir wollten ein soziales Projekt auf die Beine stellen, das Kinder unterstützt, denen es nicht gut geht. Hier helfen zu können ist wirklich toll“, erzählt Nora Gräber. Dazu machten sich die drei Schülerinnen auf den Weg Sachspenden zu sammeln. „In der Schule haben wir Spendenboxen aufgestellt, wo Schüler und Lehrer ihre Sachspende abgeben konnen. Dazu haben wir uns bei Freunden, Verwandten, Eltern und Bekannten umgehört und ihnen vom Projekt erzählt, um weitere Hilfe zu erhalten. „Die Sachspenden wurden in Papiertüten verpackt, die von Kindergartenkindern mit Mandalas verschönert wurden. Zusätzlich sind noch Geldspenden für den Transport eingesammelt worden“, berichtet Nora Gräber. Die drei Schülerinnen freuen sich schon, denn ihre Spenden aus ihrem Matura-Hilfs-Projekt werden in Kürze bei den Waisenkindern in Pomirla ankommen. (TL)
Info:
Der Verein “Kinder in Not – Hilfswerk Rumänien” trägt das Gütesiegel “Sicher Spenden”.
Gespendet werden kann auf folgenden Konten:
Raiffeisenkasse Tauferer Ahrntal IBAN: IT32 T082 8558 4220 0030 1004 140
Sparkasse Bruneck IBAN: IT49 M060 4558 2400 0000 0324 800
Volksbank Bruneck IBAN: IT84 J058 5658 2400 1057 1376 198
Informationen unter: www.kinderinnot.it
Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.