„Es gilt in jeder Situation – wie immer sie auch sei – das Positive zu suchen.“
Sommerzeit, Almzeit. Für Hubert Eder gibt es nichts Schöneres, als den Sommer auf einer Alm zu verbringen.
Warum trifft man Sie im Sommer auf der Alm?
Dazu muss ich etwas ausholen. Zur Burg Taufers gehörte eine kleine Landwirtschaft, die meine Eltern übernommen hatten. Wir wohnten auch auf der Burg, ich bin dort geboren, ich entstamme also einer Burg. (lacht) Später ließ sich die Familie im Dorf Sand nieder. Schon mit neun musste ich als Hütbub auf eine Alm und bis 14 verbrachte ich jeden Sommer dort. Einmal, bei einem Aufbruch von daheim zur Alm, rannte ich zurück, weil ich die Steinschleuder vergessen hatte. Hinter der Haustür weinte meine Mutter. Sie wusste, dass auf der Alm nicht nur Gutes auf mich wartete, trotzdem machte sie mir das Almleben jeden Sommer aufs Neue schmackhaft. Wir litten daheim ja nicht Hunger, aber die Lire waren abgezählt, es war also besser, wenn zuhause ein Esser weniger am Tisch saß. Bei netten Hirten war es recht angenehm, aber es gab auch solche, die die Hütbuben regelrecht schikanierten und ausnützten. Es waren einschneidende Jahre für mich, eine Lebensschule. Trotzdem überwog das Schöne. Mein Wunsch war immer, wenn ich in Rente bin, wieder eine Alm zu betreuen. Das mach ich nun schon einige Jahre. Ich bin aber kein Senner und verarbeite weder Milch noch Käse, sondern ich schau nur auf das Vieh und entstrauche die Weide. Aus purem Hobby, einfach weil es mir gefällt.
Was fasziniert Sie so am Almleben?
Die Ruhe, der Umgang mit dem Vieh, die Bergwelt. Und ja, auch die Einsamkeit, fernab vom Getümmel der Welt. Ich darf die Hütte benutzen und fühle mich einfach wohl da oben! Nur vor Gewitter habe ich Angst, seitdem vor ein paar Jahren ein Blitz in den Stall einschlug und ein Jungtier tötete. Diese Alm steht seit 150 Jahren, das war bisher noch nie passiert. Da ich die Bealmung, wie gesagt, nur hobbymäßig mache, kann ich nachhause abhauen, wann ich will, zum Beispiel, um meine Bienen zu versorgen. Und oft auch, um meine Frau auf Bergtouren zu begleiten.
Aber Sie hatten nicht immer Glück …
Das stimmt. In der Jugend machte ich Freestyle-Skiing, als das bei uns noch niemand kannte. Als Autodidakt verletzte ich mich gehörig. Im Sommer entdeckte ich die Freude fürs Bergsteigen. Mit Anton, Erich, Franz, Hans und Werner war ich viel zum Klettern unterwegs. Bis ich im August 1982 in der Nordwand am Monte Agnèr schwer verunglückte. Ich war im Vorstieg, kletterte ohne Zwischensicherungen, ich fühlte mich stark und unverwundbar. Plötzlich fiel von oben ein Stein auf meine Hand, sodass ich mich nicht mehr festhalten konnte. Ca. 80 Meter stürzte ich im freien Fall, bis ich auf einem Felsband aufschlug. Beide Beine konnte ich nicht mehr bewegen, ich dachte es sei aus. Werner, damals Medizinstudent, sprach mir Mut zu und organisierte die Rettung. Bis diese kam, dauerte es über sechs Stunden, Handys gab es nicht. Zwischen Knochenbrüchen und Muskelrissen hatte ich 17 Verletzungen, was über zwei Monate Krankenhausaufenthalt bedeutete und ich dann erst wieder Gehen lernen musste. In dieser für mich so aussichtslosen Zeit vertiefte sich die Freundschaft zu einer Frau, die mich seitdem durchs Leben begleitet. Dafür bin ich ihr dankbar.
Wie ging es nach der Genesung weiter?
Nach dem Unfall ließ ich das Klettern sein. Ich war aber immer neugierig, suchte neue Herausforderungen und so kam ich aufs Drachenfliegen. Vor allem der Akrobatikflug machte mir Spaß und ich nahm an nationalen und internationalen Wettbewerben teil. Und wieder schrammte ich haarscharf an meiner Lebensgrenze vorbei. Bei einem Looping stürzte ich ab. Wieder schwere Verletzungen. Diesmal war aber nicht ich schuld, sondern ein Defekt am Drachen. Danach kam ich wieder zurück zu meinen Wurzeln. Ich gewann wieder Freude am Bergsteigen und war übrigens 38 Jahre bei der Bergrettung. Und ich entdeckte meine Begeisterung für das Almleben wieder. Beides war nun gereifter, in mir ruhender.
Was machten Sie beruflich?
Ich war Hydrauliker, deckte Kirchtürme und war LKW- und Busfahrer im Fern- und Nahverkehr. Jetzt in meiner Pensionierung blicke ich mit Zufriedenheit auf mein Leben zurück. Es gab in jedem Jahrzehnt eine positive Steigerung für mich. Ich spielte oft mit meinen Grenzen und hatte mächtig Glück dabei. Es war ein gutes Leben, ich litt nie Hunger, auch wenn das Essen in der Kindheit einseitig war. Und es war ein Zeitalter ohne Krieg und Katastrophen. Das alles ist nicht selbstverständlich.
Haben Sie Wünsche?
Ich wünsche mir, mit jeder Situation im Leben, wie immer sie auch sei, zurechtzukommen. (IB)
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