Pustertal – In den Wäldern im Pustertal und Gadertal sind zunehmend abgestorbene Fichten zu beobachten. Diese Schäden werden dem Fichtenborkenkäfer zugeschrieben, der sich im letzten Jahr massiv vermehrt hat. Die Amtsdirektoren des Forstinspektorates Welsberg und Bruneck, Günther Pörnbacher und Wolfgang Weger erklären, wie es dazu kommen konnte und was jetzt wichtig ist, um den gesunden Wald zu schützen.
Puschtra: Das Frühjahr steht bevor und damit erwacht auch ein Käfer, der Ihnen Sorgen bereitet. Um welches Insekt handelt es sich hier?
Günther Pörnbacher: Es geht in unseren Gebieten im Speziellen um den Buchdrucker – Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer (Ips typographus) – eine Borkenkäferart, die in den Fichtenbeständen große Probleme bereitet. Der Kupferstecher, der ebenfalls zur Familie der Borkenkäfer zählt, befällt schwächere Bäume oder Wipfelbereiche und ist deshalb eine geringere Gefahr. Der Buchdrucker hingegen erzeugt nicht nur einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden, sondern bringt auch Probleme für die Schutzwirkung der Fichtenwälder, weil die Bestände auch großflächig absterben können.
Die Abteilung Forstwirtschaft stellte in diesem Winter auch eine Vermehrung des Prozessionsspinners fest. Verursacht dieser Falter im Pustertal auch Probleme?
Wolfgang Weger: Der Prozessionsspinner kommt auf der Kiefer vor und unser Gebiet liegt klimatisch zu kontinental, dass dieser Falter uns Probleme bereiten könnte. Es ist mittlerweile aber so, dass dieser Falter sich zunehmend in kontinentaleren Gebieten ausbreitet, was wahrscheinlich mit der Erwärmung des Klimas zusammenhängt. So zum Beispiel kann man seine typisch weißen Nester in den Kieferbäumen an der Brennerautobahnausfahrt Vahrn, in Richtung Pustertal bereits beobachten.
Welche Art von Schäden verursacht dieser Fichtenborkenkäfer?
Günther Pörnbacher: Im Grunde hat der Buchdrucker eine wichtige Aufgabe, nämlich geschwächte oder absterbende Bäume abzutöten und sie für weitere Insekten, Mikroorganismen und Pilze aufzubereiten. Dafür unterbricht dieser Käfer, in der Schicht zwischen Rinde und Holz, den Saftstrom des Baumes, der dadurch abstirbt. Normalerweise befällt der Buchdrucker bereits umgefallene, abgerissene und geschwächte Bäume, aber zum Problem wird er, wenn er die gesunden umliegenden Bäume attackiert. Dieses Problem haben wir derzeit in Rasen/Antholz und im Gadertal in sehr großem Ausmaß. Ein flächiger Befall führt zur Zerstörung alter Waldbestände, wo die Holznutzung dann für viele Jahrzehnte ausfällt. Erheblich wird der Schaden durch das Absterben von Wäldern, die Schutzaufgaben erfüllen. Darunterliegende Infrastrukturen können dadurch ein Sicherheitsproblem in Bezug auf Naturgefahren, wie Steinschlag und Lawinen bekommen.
Welche Baumarten werden durch den Borkenkäfer besonders befallen?
Wolfgang Weger: Der Buchdrucker befällt nur die Fichte, wo er Schäden verursacht. Es gibt für jede Baumart, spezielle Borkenkäfer, so zum Beispiel auch jenen, der die Lärche, Kiefer oder Zirbe befällt. Das große Problem beim Buchdrucker ist jenes, dass er auf der Fichte zu Massenvermehrung neigt, was große Schäden verursacht.
Jedes Tier hat im natürlichen Kreislauf seine Aufgaben. Welches waren die Ursachen, die dazu geführt haben, dass dieser natürliche Kreislauf gestört wurde?
Günther Pörnbacher: Im letzten Jahr hat es, wider Erwarten, in der Borkenkäferpopulation zwei Generationen gegeben, was das Problem massiv verschärft hat. Da der Mai kalt und nass ausgefallen ist, sind die Käfer ziemlich spät, erst in den warmen Tagen Ende Mai/Anfang Juni ausgeschwärmt und haben die erste Generation gebildet. Der Juli und der August waren dann aber abschnittsweise trocken und heiß, also ideale Bedingungen für eine zweite Generation. Eine zweite Generation bedeutet, dass der Bestand der Buchdrucker mindestens verzehnfacht wird und damit erhebliche Schäden vorprogrammiert sind. Dazu kam, dass durch das Sturmtief Vaja 2018 und die massiven Schneedruckschäden 2019/20 im Pustertal genügend Brutmaterial für die massive Vermehrung des Buchdruckers geliefert wurde. 2019/20 waren das Frühjahr nass und kalt, was die Entwicklung verzögert hat. 2021 hingegen haben dann die Witterung und das Fraßangebot zusammengespielt, was dann zu dieser massiven Vermehrung geführt hat. Dazu kommt, dass die Käfer den Winter im Boden oder hinter der Rinde der bereits befallenen und abgestorbenen Bäume überleben. Der Käfer kann locker bis Minus 20 Grad aushalten.
Wolfgang Weger: Was zu diesen günstigen Brutumständen noch hinzu kommt ist, dass die Temperaturen die letzten 15 Jahre ständig gestiegen sind. Da die Entwicklung des Käfers sehr strahlungsabhängig ist, hat die konstante Erwärmung die Massenvermehrung zudem begünstigt. Wir haben beobachtet, dass dieser Umstand nicht nur die Vermehrung fördert, sondern dass jetzt auch in einer Höhe von über 1500 Metern Meereshöhe deutliche Käferschäden auftreten.
Wie wird die Vermehrung des Buchdruckers von der Forstbehörde erhoben und dokumentiert?
Wolfgang Weger: Es gibt einmal das Monitoring über Fallen, die mit Pheromonen den Buchdrucker anlocken. Hier wird überprüft, wo eine verstärkte Aktivität vorhanden ist und wie stark diese ist. Die Fallen werden alle zehn Tage vom Forstpersonal überprüft und anhand der Zahlen erhoben, wie es mit dem Bestand an Borkenkäfern aussieht. Im Pustertal und im Gadertal werden an die 50 solcher Fallen ständig überwacht und ausgewertet. Zudem kann im Wald durch mehrere Methoden monitoriert werden: So etwa durch das Kartieren von abgestorbenen Bäumen über Luftbildauswertungen oder spezielle Verfahren wie Multispektralaufnahmen. Ansonsten sind wir als Forstbehörde auch selbst im Wald unterwegs und überprüfen, wo sich der Käfer bereits in noch grünen Bäumen eingebort hat. Hier gilt es dann die Fläche des Befalls abzuschätzen, was auch über Luftbilder oder vom Gegenhang passiert.
Welche Gebiete sind bei uns durch den Buchdrucker am meisten geschädigt?
Günther Pörnbacher: Im oberen Pustertal gibt es mittlerweile von Rasen bis Antholz-Mittertal flächendeckende Schäden, mit der Problematik, dass es sich hier um Objektschutzwälder handelt. Ein weiterer Schwerpunkt mit punktuellen Schäden an Käfernestern liegt in Prags und Toblach. Es sind aber im ganzen oberen Pustertal, unabhängig von Exposition und Seehöhe, Käfernester zu beobachten. Um die 150 bis 200 Hektar Wald wird bereits abgestorben sein. Diese Flächen werden sich leider in den nächsten Jahren, je nach Witterung im Frühjahr, noch vervielfachen.
Wolfgang Weger: Im unteren Pustertal, Tauferer Ahrntal und Gadertal werden es an die 350 Hektar Wald sein, die vom Buchdrucker betroffen sind. Vor allem das obere und untere Gadertal fallen mit flächigen Schäden auf. Der Bereich bis Sand in Taufers, auch Pfalzen und Terenten sind mit punktuellen Schäden betroffen.
Welche Maßnahmen können gegen den Befall des Buchdruckers unternommen werden?
Günther Pörnbacher: Hier ist anzumerken, dass die Zusammenarbeit der Forstbehörde mit den Waldbesitzern zur Bekämpfung des Buchdruckers sehr wichtig ist. Durch die Forst-Informationstage, die coronabedingt heuer – wenn überhaupt – erst im März stattfinden können, versuchen wird in jeder Gemeinde die Waldeigentümer zu sensibilisieren und zu informieren, wie gemeinsam gegen das Problem vorgegangen werden kann. Daher rufen wir die Besitzer dazu auf, sich mit den zuständigen, örtlichen Forstbehörden in Verbindung zu setzen, damit gemeinsam erhoben werden kann, welche Bäume betroffen sind und wie die weitere Vorgangsweise aussieht. Wichtig ist, dass bereits jetzt – vor dem Erwachen der Käfer im April/Mai – gehandelt wird und jeder Baum, der einen Befall aufweist aus dem Wald entfernt wird. Damit kann der Bestand um Millionen Käfer reduziert werden.
Wolfgang Weger: Die im Vorjahr bereits befallenen und damit abgestorbenen Bäume sind für den Buchdrucker uninteressant und können auch im Wald verbleiben. Da allerdings vorwiegend im Umkreis von ca. 100 Metern der Käfernester gesunde Bäume vom Buchdrucker befallen werden können, ist es umso wichtiger hier schnell zu reagieren und diese Bäume zu entfernen oder als ‘Fangbaum‘ zu benutzen, bevor der Buchdrucker im April/Mai ausfliegt. Als Fangbaum werden gesunde Bäume bezeichnet, die im Wald in der Nähe des Käfernestes geschlägert werden, als Auffangstation für die ausfliegenden Käfer dienen und dann aus dem Wald gebracht oder zumindest entrindet werden müssen. Für diese Fangbäume sollen die Waldbesitzer in Zukunft auch einen Landesbeitrag erhalten. Dies ist sicher die effizienteste Methode, um den Käfer-Bestand zu minimieren, die Massenvermehrung kann dadurch aber nicht gestoppt werden, dafür gibt es leider kein Patentrezept gegen dieses Phänomen.
Was passiert mit dem Schadholz?
Wolfgang Weger: Das Holz des frisch befallenen Baumes mit noch grüner Krone weißt einen geringen Schaden auf, weil vor allem die äußersten, nicht verholzten Bereiche des Baumes betroffen sind. Wichtig ist aber, dass es aus dem Wald abtransportiert wird. Wenn der Baum bereits abgestorben und von Sekundärschädlingen befallen ist, kann das Holz nur noch als Brennholz verwendet werden. (TL)
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