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Kulinarischer Aufbruch

Die Südtiroler Gastronomie will nach zwei Jahren Pandemie mit neuem Schwung in die Zukunft starten. Die Krise hat nicht nur kulinarische Gewohnheiten verändert, sondern auch neue Trends in der Gastronomie eingeleitet. Die Südtiroler Küche soll mit ihrer Kreativität und Entwicklungsfähigkeit Impulsgeber für einen neuen kulinarischen Aufbruch in Südtirol sein. Im Gespräch mit dem Präsidenten des Südtiroler Köcheverbandes (SKV) Reinhard Steger.

Puschtra: Herr Steger, was braucht die Südtiroler Küche nach zwei Jahren Corona Pandemie jetzt am meisten?
Reinhard Steger: Das ist eine herausfordernde Frage. Im Grunde ist sicher, dass wir jetzt am meisten Kontinuität brauchen. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie haben viele Unsicherheiten in Südtirols Küchen gebracht, was zum Beispiel Öffnungszeiten, Lieferketten, Arbeitsplätze, Gästeverhalten, usw. anbelangt und deshalb ist es jetzt wichtig, dass wieder vermehrt Sicherheit und ein geregelter Arbeitsablauf einkehren. Um Qualität zu gewährleisten ist diese Kontinuität für die Küchen sowie Gastbetriebe essenziell.

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hatten auch auf die Gastronomie erhebliche Auswirkungen. Was hat sich alles in Bezug auf Lebensmittel geändert?
Wie der Name schon verrät, hat ein Lebensmittel einfach eine sehr begrenzte Lebenszeit und deshalb waren die Betriebe, vor allem rund um Weihnachten des letzten Jahres, unsicher was vor allem ihre Einkäufe anbelangte. Teilweise musste die Auswahl von Lebensmitteln auf ein Minimum reduziert werden, was die vorher gewohnte Qualität natürlich beeinflusst hat. Zum anderen war es dann wieder so, dass mit dem Öffnen der verschiedenen Bereiche die Produktion von Lebensmitteln ins Stocken kam und dies wiederum zu Lieferengpässen geführt hat. Bezogen auf den Konsumenten muss man sagen, dass dieser im Bereich der Gastronomie und Hotellerie sehr schnell zur Normalität zurückgefunden hat. Die Menschen wollten wieder Essen gehen und in den Urlaub fahren. Was in dieser Zeit sehr stark zugenommen hat sind vor allem die Abhol- und Liefer-Services. Es hat Betriebe gegeben, die sehr schnell reagiert und neue Konzepte entwickelt haben. In diesem Bereich haben sich sogar völlig neue Formen der Gastronomie etabliert, wie zum Beispiel das Thema Frühstück. Die Frühstücks-Lieferung nach Hause oder das Frühstück außer Haus hat es vor der Pandemie in dieser Intensität nicht gegeben.

Der Präsident des Südtiroler Köcheverbandes (SKV) Reinhard Steger.

Was hat sich Ihrer Meinung nach in den Verhaltensweisen bezüglich auswärts Essen während der Pandemie geändert?
Im Laufe von diesen zwei Jahren haben sich die Menschen gewisse Gewohnheiten angeeignet, die sich auch weiterhin halten werden. So kann man inzwischen zum Beispiel beobachten, dass die Menschen, auch der Südtiroler Gast, jetzt immer später ins Restaurant zum Essen kommt. Auf diese Änderungen muss sich die Gastronomie natürlich auch wieder anpassen.

Wie haben sich die Kochgewohnheiten der Südtiroler verändert?
Südtirol ist nicht eine Insel der Seligen. Auch hier werden die Kochgewohnheiten ganz stark von der globalen Entwicklung des Arbeitsmarktes geprägt. Und durch die Berufstätigkeit der Frau in der modernen Gesellschaft haben auch wir in Südtirol enorme Veränderungen. Einerseits immer weniger Zeit in den Haushalten zu Kochen und anderseits eine große Sehnsucht, Südtirol und die Südtiroler Lebensmittel in Restaurants, Gasthöfen, Hotels ja bis hinein in die Kindergärten und Schulen zu erleben. Sind wir einfach dankbar dafür und leisten wir alle einen täglichen Beitrag, dass diese Liebe zu den kleinen Kreisläufen im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft uns erhalten bleibt. Denn dafür müssen wir uns alle, jeden Tag dafür einsetzen.

Der Kunde achtet heute vermehrt auf regionale und saisonale Speisen. Wie wird diese Thematik in Bezug auf die Ausbildung zur Köchin, zum Koch gehandhabt?
Im Grunde hat der Prozess der Regionalisierung in Südtirol schon vor über 20 Jahren begonnen. Als Südtiroler Köcheverband (SKV) waren wir in diesem Bereich federführend, auch wenn es damals noch erhebliche Kritik unterschiedlicher Art gegeben hat. In diesen 20 Jahren ist es uns gelungen, auch bei den jungen Menschen, eine hohe Sensibilisierung für heimische Produkte/Gerichte zu erreichen. Was auch dem geschuldet ist, dass wir in den Schulen die Möglichkeit hatten, heimische Lebensmittel und Produzenten einzubinden. Die Südtiroler Küche hat damit ein eigenes und international wahrgenommenes Profil erhalten, was bemerkenswert ist.

Wie soll der kulinarische Aufbruch nach der Pandemie in Südtirol Ihrer Meinung nach aussehen?
Die Pandemie hat natürlich sehr viele Menschen an ihre Grenzen herangeführt und gefordert und die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Einige haben es verstanden diese Zeit kreativ zu nutzen und das möchten auch wir tun, so zum Beispiel kann auch der Ideenwettbewerb ‘APPLE KREATIV 2022‘ dazu beitragen einen positiven und kreativen Impuls zu setzen. Die Idee dazu ist im Herbst 2021 entstanden und diese zielt auf die Stärken der Südtiroler Küche ab: Kreativität, Entwicklungsfähigkeit, Lust schöne Dinge zu schaffen und zuzubereiten, mit Gerichten begeistern…

Wie kann der Konsument diese neue Entwicklung mittragen bzw. sie unterstützen?
Die Südtirolerin und der Südtiroler haben das wirklich täglich in der eigenen Hand. Durch das aktive Mittragen von kleinen Kreisläufen, durch den Einkauf vor Ort im eigenen Dorf, durch den Einkauf von heimischen Südtiroler Lebensmitteln und Produkten, durch die tägliche Bewusstseinsmachung der Thematik bereits am eigenen Familientisch und später in Kindergärten, Schulen, Restaurants, Gasthöfen und Hotels können wir alle einen ungemein wichtigen Beitrag leisten und diese Entwicklung unterstützen. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir nach wie vor gerne frisch kochen, einen Gastbetrieb, den Bäcker und Metzger vor Ort haben. Und Bauern und kleine Produzenten in den Tälern vorfinden und damit auch viele Arbeitsplätze vor allem weit drinnen in den Tälern haben. Der rein globale Einkauf, die globalen Lebens-, Ess- und Verhaltensgewohnheiten würden unser Südtirol und unsere Kultur, sehr schnell zunichtemachen. Wir müssen nun auch lernen, dass weniger, am Ende sehr oft mehr sein kann. Auch und ganz besonders im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.

Der Südtiroler Köcheverband hat 2022 den Südtiroler Apfel in den Mittelpunkt der kulinarischen Innovation und Kreativität gestellt. Welche Bedeutung hat der Apfel für die Südtiroler Küche generell?
Jedes Jahr setzt der Südtiroler Köcheverband ein kulinarisches Thema das mit einem Wettbewerb verbunden ist. Heuer lautet das begleitende kulinarische Jahresmotto: ‘2022. Das Jahr des Südtiroler Apfels. Vielfältig, lustvoll und kreativ interpretiert‘. Der Apfel hat für die Südtiroler Küche eine ganz besondere Bedeutung. Einerseits ist er als regionales Produkt das ganze Jahr über verfügbar, dazu kommen die traditionellen Südtiroler Produkte aus dem Apfel, so wie der Apfelstrudel oder die Apfelküchlan, die weitum bekannt sind. Zudem gehört der Apfel zur Südtiroler Kultur und Kulturlandschaft dazu, er ist in Südtirol allgegenwärtig. Deshalb animieren wird die Teilnehmer neue kulinarische Gerichte mit dem Apfel zu entwickeln.

Das Jahresmotto wird von Wettbewerben und Förderpreisen begleitet. Können Sie uns dazu einen Einblick geben?
Der Südtiroler Köcheverband-SKV möchte mit dem Kulinarischen Ideenwettbewerb ‘APPLE KREATIV 2022‘ einen ganzheitlichen und nachhaltigen Kreativ- und Innovationsimpuls auslösen. Und zudem die kulinarische Südtiroler Identität weiter vertiefen sowie die Auseinandersetzung mit heimischen Produkten entscheidend forcieren. Dafür werden insgesamt 7.522 Euro an Förderpreisen als Innovationsförderung gestellt. Sei es für die innovativsten Rezepte, die kreativsten Facharbeiten sowie für Projektarbeiten, die in Teamarbeit entstehen und eingereicht werden. Aus den eingereichten Programmen wird am Ende des Jahres auch noch der Hauptpreis, der ‘Kulinarik Kreativ Förderpreis 2022‘ auf der Messe Interpoma vergeben. Dieser ist ganz dem Motto und Jahr entsprechend mit 2.022 Euro dotiert. Alle wichtigen Informationen zu den Förderpreisen, den Bewertungskriterien und den Abgabeterminen usw. sind unter: https://skv.org/ideenwettbewerb-apple-kreativ-2022/ zu finden.

Welches Ziel verfolgt diese Initiative?
Im Grunde spricht diese Initiative sehr differenzierte Bereiche an: vom ganz jungen Kochlehrling über den ausgelernten Koch bis hin zum Querdenker wollen wir einen ganz offenen Dialog führen und sind offen für absolute Koch-Innovationen. Die Südtiroler Küche hat sehr viel Potenzial und dazu gibt es sehr viele junge Menschen, die sehr gerne innovative Ideen ausprobieren möchten. Noch dazu kommt, dass wir die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Südtiroler Apfelsorten fördern und verbreitern möchten.

An wen richtet sich der Wettbewerb?
Der Wettbewerb richtet sich an Köchinnen und Köche, Jungköche und Jungköchinnen, Kochlehrlinge, Fachschüler für Kochen und Servieren, Hotelfachschüler; Quer- und Andersdenker und Menschen die mit Freude und Begeisterung kochen. An alle Südtirolerinnen und Südtiroler.

Wer sind die Projektpartner dieser Initiative?
Der Südtiroler Köcheverband-SKV organisiert gemeinsam mit Unterstützung der Projektpartner Autonome Provinz Bozen Assessort Landwirtschaft & Tourismus, dem Südtiroler Apfelkonsortium, VOG products und den Partnern des SKV, diesen kulinarischen Wettbewerb.

Was ist Ihr persönliches Lieblingsrezept wenn es um den Apfel geht?
Als begeisterter Koch hat man nicht nur ein Rezept, weil man im Grunde immer sehr, sehr offen und immer in zwei Welten unterwegs ist. Einerseits spielen traditionelle Gerichte und Rezepte natürlich immer eine Rolle und haben eine gewisse Bedeutung, aber genauso interessant ist die Auseinandersetzung mit einer weltoffenen Küche, wo Gegensätze und unterschiedliche Erwartungshaltungen aneinanderstoßen. (TL)