„Ich bin geboren, um anderen zu helfen.“
Elsa Wolfsgruber hat ein Herz wie ein Bergwerk. Nächstenliebe und Hilfe für die Ärmsten sind für die 63-Jährige Selbstverständlichkeit und Berufung. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich für Waisen- und Straßenkinder im rumänischen Pomirla. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation ihres grenznahen Einsatzgebietes nochmal verschlimmert.
Frau Wolfsgruber, wie kamen Sie zu Ihrem Engagement in Pomirla?
Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 kamen Kinder zur Erholung nach Südtirol. Zufällig wurde ich gefragt, ob ich ein Waisenkind aus Rumänien aufnehmen würde. Der Bub blickte mich mit großen Augen an und fragte, ob ich seine Mama sei. Ich schloss den Sechsjährigen sofort in mein Herz. In Rumänien hatte er Hunger gelitten und in der ersten Zeit hortete er bei mir Essen und versteckte es unter seinem Kopfpolster. So begann mein Kontakt zu rumänischen Waisenkindern und das Engagement für die Aufbauarbeit des Hilfsprojektes in Rumänien. Als ich das erste Mal in Pomirla das Waisenhaus sah, waren 400 Kinder in ein Haus gepfercht, es hatte nicht mal Fensterscheiben. Aufgrund hygienischer Missstände litten viele Kinder an Hepatitis B und Tuberkulose. Wenn du sowas siehst, kannst du nicht wegschauen, da musst und willst du helfen. Zu diesem Zweck gründete ich 1999 den Verein mit Gütesiegel „Kinder in Not“, mittlerweile zählt er über 300 Mitglieder.
Was haben Sie in Pomirla aufgebaut?
2001 wurde dort mit Unterstützung der Provinz Bozen das „Haus der Familie“ realisiert, wo 30 Waisenkinder im Alter von 3 bis 16 Jahren betreut werden. Dann entstand mit freiwilligen Helfern in Pomirla aus einer alten Lehmhütte der Bauernhof „Arche“. Hier finden jene Jugendliche eine Arbeitsmöglichkeit, die ab 18 das Waisenhaus verlassen müssen. Ebenso verwirklicht wurde 2006 ein Kindergarten in Blockbauweise. Im Sozialzentrum hingegen werden täglich bedürftige Familien mit warmen Mahlzeiten versorgt. Und in Bukarest konnte ein Waisenhaus für obdachlose und verwahrloste Kinder eingerichtet werden. Viele Projekte in Pomirla wurden durch Jugendliche der Berufsschule Bruneck ausgeführt; die Lehrer nahmen z.B. den Bau einer Infrastruktur mit Planung und Ausführung in das Lehrprogramm auf, und viele Handwerker aus Südtirol fuhren nach Pomirla, um ehrenamtlich anzupacken. Einige Südtiroler haben auch Patenschaften übernommen. Das Elend und die Armut in Rumänien sind einfach nicht vorstellbar. Probleme sind auch Analphabetismus, Alkohol, mangelnde Hygiene und Kriminalität. Mithilfe oben genannter Strukturen hat sich die Lage einigermaßen stabilisiert, aber nach wie vor fehlt es an allen Ecken und Enden. Um die Strukturen auch für die Zukunft aufrechterhalten zu können, suchen wir Handwerker oder Pädagogen, die uns unterstützen sowie junge Leute die unsere Arbeit fortsetzen, denn wir Helfer der ersten Stunde sind halt auch nicht mehr die Jüngsten.
Wie ist derzeit die Lage in Pomirla?
Unsere Hilfsprojekte haben unter Corona gelitten, da wir nicht nach Rumänien fahren konnten. Wir haben aber ein Netzwerk von Vertrauenspersonen vor Ort und konnten unsere Strukturen aufrechterhalten. Generell hat sich die Lage in Rumänien durch den Krieg verschlechtert. Kürzlich fuhren wir mit drei LKWs von Südtirol aus dorthin und brachten Lebensmittel, Kleidung, Decken, Matratzen und Hygieneartikel anschließend über die Grenze in die Ukraine. Da aber allein der Transport von hier aus sehr kostenaufwändig ist, wären im Moment Geldspenden wichtig. Wir würden die wichtigsten Bedarfsmittel dann in Rumänien kaufen und durch unser Netzwerk in die Ukraine bringen. Flüchtlinge aus der Ukraine haben wir bereits in unseren eigenen Strukturen in Rumänien untergebracht, allerdings fliehen die meisten in den Westen und nicht in diese arme Region. Angeblich hat in Rumänien auch die radioaktive Strahlung zugenommen, wohl wegen des Kriegsgeschehens. Voraussichtlich Ende April fahre ich nach Pomirla und mache mir ein Bild der Situation.
Frau Wolfsgruber, Sie sind ein Engel der Armen …
Ich bin nur ein Mensch, der anderen helfen will. Auch wenn mich das Elend oft bedrückt, leuchten meine Augen, wenn ich Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen kann. Mein Glaube sagt mir, nicht nur zu beten, sondern Gutes zu tun und aktiv zu werden. Ich wurde in Onach bei St. Lorenzen geboren, habe mit 22 Jahren geheiratet und unserer Ehe entsprossen drei Kinder. Zusätzlich betreute ich noch sechs Pflegekinder und eine behinderte Frau. In unserem Haus war immer viel los. Für andere da zu sein, ist mir ein Leben lang Berufung und größte Freude. (IB)
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