Das Thema Schulentwicklung stand in der vergangenen Woche bei den Rechtenthaler Gesprächen in Tramin auf dem Programm, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiern.
Über 100 Bildungsexpertinnen und -experten aus Österreich, Deutschland und Südtirol setzten sich auf Einladung der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion vergangene Woche zwei Tage lang mit dem Thema „Lernen für die Zukunft – Entwicklungen erfahren, verstehen und reflektieren“ auseinander. Den Rahmen dazu bildeten die Rechtenthaler Gespräche, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiern. Im Zentrum der Veranstaltung auf Schloss Rechtenthal in Tramin stand das Gespräch zwischen Menschen, die in und für die Organisation Schule auf ganz unterschiedlichen Ebenen arbeiten. Dabei befassten sich die Teilnehmenden thematisch mit den Merkmalen von innovativen Schulen, die der Vielfalt der lernenden Kinder und Jugendlichen gerecht werden.
Über die Jahre hinweg hätten sich die Rechtenthaler Gespräche als „länderübergreifende Diskussionsplattform“ etabliert, betonte Landesrat Philipp Achammer bei seinem Besuch in Tramin. „Die Teilnehmenden an den Rechtenthaler Gesprächen haben sich der Weiterentwicklung von Schule verschrieben, und sind alle schon vor Ort sehr aktiv“, sagt Landesrat Achammer. Die Pandemie sei für das schulische Lernen ein Stresstest. Jetzt gelte es, das Lernen an die sich daraus ergebenden Veränderungsprozesse und zukünftige Herausforderungen anzupassen und voranzubringen, denn hier gebe es noch Aufholbedarf. „Die länderübergreifende Vernetzung der Rechtenthaler Gespräche zielt darauf ab, voneinander zu lernen und Anregungen mitzunehmen, um sie in einem zweiten Moment umzusetzen.“
Auf die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wies auch Rudolf Meraner, der ehemalige Direktor der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion, hin, der auf den Beginn und die zehnjährige Geschichte der Rechtenthaler Gespräche zurückblickte: „Wir können noch viel voneinander lernen, wenn wir schauen, wie es andere machen und damit andere Blickwinkel einnehmen. Und: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass man auch vom Südtiroler Bildungswesen lernen kann.“
Die Frage, wie sich empirisches Wissen für Schulen, Bildungsverwaltung und Bildungspolitik nutzen lässt, behandelt in seinen Forschungsarbeiten einer der Referenten, Hans Anand Pant, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin. Unter dem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht“ stellte er dar, was innovative Schulen ausmacht. „Die pandemiebedingte digitale Transformation von Bildungsprozessen, eine zunehmend heterogene Schülerschaft und eine grundlegende Verunsicherung aller an Schule Beteiligten sind Herausforderungen, auf die Schule reagieren muss“, sagte Professor Pant. Anhand der „Grammatik einer Schule“ arbeitet Pant Resistenzen heraus, die Veränderungen verhindern und leitet davon Gelingensbedingungen und Haltungen ab, durch die Veränderung gelingt.
Einblick in die praktische Unterrichts- und Schulentwicklung gaben Martin Wüller, Schulleiter des Gymnasiums Alsdorf, und Michaela Dorfmann, die den Schulsprengel Meran Untermais leitet. Das Gymnasium der Stadt Alsdorf verfolgt ein Unterrichtskonzept, das sich an der Dalton-Pädagogik orientiert und die Schülerinnen und Schüler systematisch an das selbsttätige und kooperative Lernen heranführt. „Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass das, was man selbst macht, am ehesten behalten wird. Selbst-Machen benötigt allerdings Zeit, die frei einteilbar und frei nutzbar sein muss“, betonte der Schulleiter. Von der Bedeutung der agilen Führung für die Schulen der Zukunft sprachen Anna Czerny und Boris Gloger. Beide sind fest davon überzeugt, dass die Selbstorganisation und das Prinzip der Freiwilligkeit die besten Wege sind, um eine Organisation zu führen.
Die Frage, was Denken und Lernen mit dem Körper zu tun haben, zog sich als roter Faden durch die zwei Tage der Rechtenthaler Gespräche: Erklärt hat das Emily Poel, Expertin im Bereich „Embodied Cognition„. Sie ist überzeugt: „Wer die Zusammenhänge zwischen Körper und Geist versteht, setzt auch Ressourcen frei für ein klares, kraftvolles Denken und Handeln in realen Alltags- und Arbeitssituationen.“
Die Rechtenthaler Gespräche verstehen sich als Diskussionsforum zu fachlichen Themen der Schulentwicklung. Verschiedene Akteure (Schulleitungen, Lehrkräfte, Unterstützungssysteme, Schulaufsicht) tauschen dabei ihre Erfahrungen aus. Seit 2016 findet die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Tirol abwechselnd in Süd- und Nordtirol statt. Seit 2019 beteiligt sich auch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München daran. (red/jw)
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