Teil II – In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erschienen unter der Rubrik Aus dem alten Bruneck in der Zeitung Pusterthaler Bote mehr oder weniger kurze Beiträge zur Brunecker Stadtgeschichte. In den Jahren 1893/94 erschienen diese Beiträge in Form einer eigenen Beilage zur Zeitung. Der Text dieser Beilagen wurde von Anton Zangerl verfasst. Der Verfasser stützte sich auf das Brunecker Stadtarchiv, sodass die Berichte über das Leben im alten Bruneck zwar authentisch sind, aber eher schwer lesbar, weil er Urkundentexte sehr oft wörtlich zitiert.
Die territoriale Gliederung der Stadt
Die eigentliche Stadt war in vier Stadtviertel aufgeteilt. Das erste Viertel bildete die Häuserzeile am Schlossberg vom Oberen Tor (heute Ragentor) hinab bis zum damaligen Rathaus (Stadtgasse Nr. 42, ehemals Mode Waibl), das zweite Viertel begann dort und reichte immer den Schlossberg entlang westwärts bis zum Unteren Tor (heute Ursulinentor). Das dritte Viertel umfasste die Nordseite der Stadtgasse und die Hintergasse zwischen dem Unteren Tor und dem Lucken- oder Florianitor, von wo dann das vierte Viertel bis zum Oberen Tor reichte. Als Stadtviertel gewertet wurden aber auch Ober- und Außerragen, ohne dass diese beiden Ortsteile expressis verbis als Stadtviertel bezeichnet wurden. Wenn man die ganze Stadt meinte, sprach man von den vier Stadtvierteln, dem Oberdorf (gemeint Oberragen) und Ragen (gemeint Außerragen).
Die soziale Gliederung der Stadtbevölkerung
In den meisten mittelalterlichen Städten lebten die Bewohner von Handel und Gewerbe. Das Gros der Bürger war in diesen beiden Wirtschaftszweigen tätig. Es ist aber zu beachten, dass man die Stadtbevölkerung sozial trennen muss in Bürger und Inwohner oder Ingehäusen. Um in einer Stadt das Bürgerrecht zu bekommen, mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehörten der Besitz eines Hauses in der Stadt, zumindest so viel Vermögen, dass die mit der Verleihung des Bürgerrechtes zu zahlenden Gebühren erlegt werden konnten und ein entsprechender Beruf (Handwerker oder Händler, ev. auch Beamter). Mit dem Bürgerrecht war das Wahlrecht für Bürgermeister und Stadtrat verbunden und die Mitbenutzung der zur Stadt gehörenden Allmende (Weide, Wald, Fischgewässer, Vogelfang). Wir haben für das mittelalterliche Bruneck keine genauen Einwohnerzahlen. Schätzungen gehen von ca. 1.000 bis 1.500 Einwohnern aus, von denen nur etwa 10 Prozent das Bürgerrecht besaßen und noch einmal so viel zu den Inwohnern gerechnet wurden, zu denen nicht nur Taglöhner und Dienstboten, sondern auch Handwerker und manchmal sogar Handelstreibende gehörten. Auf die genannte Einwohnerzahl kommt man, wenn man pro Bürger bzw. pro Inwohner noch einmal etwa fünf Familienangehörige rechnet. Es könnte sein, dass diese Zahl zu hoch gegriffen ist. Untersuchungen in anderen Städten ergaben nämlich nur eine Kinderzahl von eins bis zwei pro Familie, weil die Kindersterblichkeit auch in den Städten sehr hoch war. Die Hauptursache dafür waren die hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung, die in der Stadt kaum besser war als auf dem Lande.
Es war nun nicht so, dass die Bürger einerseits und die Inwohner andererseits als unter sich sozial gleichwertig angesehen werden konnten. Es gab zum Beispiel unter den Bürgern einige wenige Familien, die sich die leitenden Positionen sicherten und sie dann über sehr lange Zeit nicht mehr aus der Hand gaben. Sozialwissenschaftler glauben auch unter den Bürgern von Kleinstädten eine Tendenz hin zum Adel feststellen zu können. Das heißt, dass die Bürger den Aufstieg in den Adel anstrebten, wofür Geld in jedem Falle sehr hilfreich war. Wesentlich war aber, dass der zu Adelnde auch über Grundbesitz verfügte und sich ein Haus leisten konnte, das adeligem Standard entsprach, etwa einen Ansitz. Unter den Inwohnern, von denen man ja annehmen darf, dass viele kein anderes Ziel hatten, als in die Bürgerschaft aufzurücken, gab es soziale Abstufungen, die wirtschaftlich bedingt waren. Im Allgemeinen war der Inwohner nur zur Ausübung eines Handwerkes befugt. Aber auch Dienstboten zählten dazu. Voraussetzung dafür, dass jemand als Inwohner aufgenommen wurde, war die eheliche und freie Geburt, das Bekenntnis zur katholischen Religion (seit dem Konzil von Trient wichtig!) und die Bezahlung des Inwohnergeldes. Außerdem achtete man darauf, ob der neue Inwohner der Stadt auch von Nutzen sei. Im Jahre 1660 wird eine weitere Bedingung sichtbar. Als der Weber und Bassgeiger Kaspar Kugellechner als Inwohner aufgenommen werden will, wird er aufgefordert, zuerst zu heiraten, „indem es nicht gebräuchlich, ainen Ledigenstandes aufzunehmen“.
Dass die sozial so unterschiedlich eingestuften Bewohner der Stadt doch eine Gemeinschaft bildeten, der das Wohl der Stadt am Herzen lag, zeigte sich vor allem an den Pflichten, die sowohl Bürger wie Inwohner zu erfüllen hatten. Dazu zählte vor allem die Steuerpflicht. Wer ein Haus besaß, zahlte die Haus- oder Küchensteuer, über die etwa ein Drittel des gesamten Steueraufkommens der Stadt hereinkam. Die eine Hälfte war um Georgi (23. April), die andere Hälfte um Michaeli (29. September) zu zahlen. Die Gewerbetreibenden und Kaufleute zahlten die Gewerbesteuer, die auch nach Größe des Betriebes und nach der Einkommenssituation der Betriebe gestaffelt war. Dann war auch die Stadt- (später Land-) oder Gewaltsteuer zu entrichten, mit der die Militärausgaben gedeckt wurden. Die Bezeichnungen für die Steuern änderten sich im Laufe der Zeit, neue Steuern bekamen neue Namen. Wenn man die Steuern summarisch zusammenfasste, sprach man von Ordinari- und Extraordinaristeuern. Die Steuerhoheit des Bischofs als Stadtherrn war nur eine partielle. Die Einwohner von Bruneck zahlten nicht nur an den Bischof als Stadtherrn ihre Steuern, das Gros ihrer Steuern kassierte der Tiroler Landesfürst, dem sie streng genommen gar nicht unterstanden. Diese Steuern wurden normalerweise auf Landtagen beschlossen, an denen auch der Bischof teilnahm und mitbestimmte. Bei der Festsetzung der Haus- und Gewerbesteuer hatten die Bürger ein Mitspracherecht. Vier sogenannte Steuerherrn wurden jährlich gewählt, um gemeinsam mit dem Bürgermeister die einzelnen Steuerleistungen festzulegen. Die Einhebung der Steuern überwachte der Stadtrichter. Eine andere allen Einwohnern gemeinsame Pflicht war die Hilfe in Brand- und Katastrophenfällen. Brände waren in mittelalterlichen Städten eine dauernde Gefahr. Die überwiegend aus Holz erbauten Häuser waren vor allem auch infolge der nicht selten prekären Wassersituation nur schwer zu löschen. Hier lernte man aus der Erfahrung und organisierte das Feuerlöschwesen so gut es eben ging. Auffällig ist, dass in der frühen Zeit die eigentlichen Löscharbeiten den Handwerkern und Inwohnern überlassen wurden, während die Organisation derselben dem Bürgertum und dem in der Stadt vorhandenen Adel reserviert war. (RT)
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