Das städtische Handwerk in Bruneck

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Das städtische Handwerk in Bruneck

Teil VI – Die städtischen Handwerker waren in Zünfte (oder Bruderschaften) zusammengeschlossen. Der Hauptzweck der Zünfte war zunächst die berufliche Interessensvertretung.

Im Laufe der Zeit wandelten sich die Zünfte aber zu Zwangsorganisationen, die jede wirtschaftliche Entwicklung unmöglich machten und jede Konkurrenz ausschalteten. Es herrschte Zunftzwang, d. h., jeder, der in einer Stadt handwerklich arbeiten wollte, musste einer Zunft angehören. Die Zunft legte fest, wo eingekauft wurde, wieviele Lehrlinge und Gesellen ein Betrieb einstellen und wie hoch die Preise der Produkte sein durften. Die Konkurrenz bekämpfte man als Störer oder Pfuscher. Von Gewerbefreiheit war keine Rede, diese musste erst mühsam erkämpft werden, als im Gefolge des Liberalismus sich auch in der Wirtschaft neue Ideen durchsetzten.
Wir wissen über das Handwerk in der Stadt Bruneck nur sehr wenig. Auch die Stadtordnungen bringen die betreffenden Paragraphen in sehr komprimierter Form. Was wir erfahren, ist dürftig. So sind in der Stadtordnung von 1649 den Metzgern drei Paragraphen gewidmet, den Müllern und Bäckern ein Paragraph und ebenfalls nur ein einziger allen anderen zusammen. Dieser ist „Mit andern Handtwerchern“ überschrieben. Es ist gesagt, dass sich die Goldschmiede, Maler, Bader, Barbiere, Tischler, Schlosser, Weiß- und Rotgerber, Schneider, Schuster, Kürschner, Binder, Schmiede und dergleichen an ihre Ordnungen und Privilegien halten sollen, die sie immer dann vorweisen müssen, wenn der Stadtrichter oder der Bürgermeister das will. Wenn es für ein Handwerk keine solche Ordnung gibt, dann soll man so vorgehen, wie es anderen Orts der Brauch ist. Gewerbebetriebe, wie die Schmiede, die Kessler, die Büchsenmacher, die Müller, die Gerber und die Kürschner, die auf die Nutzung der Wasserkraft angewiesen waren, siedelten vorwiegend in Ober- und Außerragen, weil dort die Wieren (anderswo Ritschen genannt) durchführten, die das Wasser der Rienz für sie nutzbar machten. Eine weitere „Gewerbezone“ war der Plarer (oder Plärrer), den man durch das Florianitor erreichte. So hieß die Gegend zwischen Stadtgraben und Rienz, die teilweise aber auch landwirtschaftlich genutzt wurde. Dort standen die Futterhäuser, die zu den Bürgerhäusern der Stadt gehörten, denn ohne Landwirtschaft glaubten auch viele Gastwirte und Kaufleute nicht auskommen zu können.

Der größte am Plarer angesiedelte Gewerbebetrieb war eine Messinghütte, die dort im Jahre 1555/56 von Hieronymus Kraffter, einem Augsburger Kaufmann und Bergbauunternehmer, erbaut wurde. Kraffter kam Ende der 40er-Jahre des 16. Jahrhunderts als Metallhändler nach Prettau und übernahm dort auch einige Bergbauanteile. Weil er sich als Kupferhändler von der Tiroler Landesregierung gegenüber seinen Konkurrenten benachteiligt glaubte, suchte er um die Erlaubnis an, in Bruneck eine Messinghütte errichten zu dürfen. Die Wahl des Standortes war wohl überlegt. Das Kupfer für die Messingerzeugung gedachte Kraffter aus Prettau zu beziehen und das Zinn aus verschiedenen Bergwerken Kärntens, die ja nicht allzu weit weg waren. Die Messinghütte beschäftigte an die 80 Personen und bestand zirka 40 Jahre lang, musste aber immer ums Überleben kämpfen. Zunächst kauften Kupferhändler aus Nürnberg das Tauferer Kupfer zu Preisen auf, mit denen Hieronymus Kraffter nicht konkurrieren konnte. Als dieser bereits im Jahre 1562 starb, übernahmen seine Erben das Messingwerk, stellten aber bereits in den 90er-Jahren des 16. Jahrhunderts den Betrieb ein. Die Stadt erwarb die Gebäude damals und nützte sie in der Folge als Armenunterkunft und dann zur Beschaffung von Baumaterial, u. a. auch beim Bau des Kapuzinerklosters. Die Messinghütte stand aber nicht am Platz, wo heute das Kapuzinerkloster steht, wie man nicht selten lesen kann, sondern schräg gegenüber dem heutigen Bahnhof etwas unterhalb der Bahnunterführung am oberen Ende des Stegener Markplatzes. Das geht aus der Darstellung der Stadt Bruneck aus dem Jahre 1581, die im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum verwahrt wird, ganz klar hervor. Dort ist die Mössing Hidten eingezeichnet. Sie besteht aus mehreren Gebäuden, die kreisförmig angeordnet sind. Als mitten im Dreißigjährigen Krieg zu Beginn der 30er-Jahre des 17. Jahrhundert die Pest in den Dörfern um Bruneck wütete, die Stadt aber letztlich doch verschonte, plante man die Messinghütte – zumindest was davon noch übrig war – als Lazarett zu benützen, wenn es ernst würde, denn „ain Lasereth (sollte) an ainem lifftigen Orth (stehen) und unndterschidenliche Zimmerlein (haben)“.

Zusammenfassend ist wohl festzuhalten, dass wir davon ausgehen können, dass es in Bruneck während der ersten Jahrhunderte seines Bestehens kein sehr differenziertes zünftiges Handwerk gab, aber durchaus ein gut funktionierendes. Die Kleinheit der Stadt brachte es mit sich, dass es in den meisten Handwerksberufen nur wenige Vertreter gab. Wenn es stimmt, dass erst drei eine Gruppe bilden – tres faciunt collegium –, dann gab es in Bruneck wohl nicht allzu viele Handwerke, die diese Bedingung erfüllten. Paul Tschurtschenthaler nennt als erste Zunft jene der Schuhmacher, die 1474 genannt ist. Sie bestand damals aus neun Meistern und elf Schuhknechten (Gesellen) und dürfte damit die mitgliederstärkste Zunft gewesen sein. Verwandte Berufe, die in größeren Städten jeweils eigene Zünfte bildeten, schlossen sich in kleineren zu einer Zunft zusammen. So wird berichtet, dass 1455 die vier Sensenschmiede, zwei Hufschmiede, vier Kessler und ein Schlosser samt insgesamt fünf Gesellen eine gemeinsame Zunft bildeten. Die Brunecker Tischler waren um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Brixner Tischlerzunft angeschlossen. Sie mussten sich, wie die anderen Mitglieder auch, in die Zunft einkaufen. Der dafür zu entrichtende Betrag von 25 Gulden scheint eher hoch bemessen. Das Brunecker Handwerk des 18. Jahrhunderts ist dann besser erforscht. Nach dem, was Paul Tschurtschenthaler aus den Steuerbüchern der Stadt herausgefunden hat, war die Handwerkerszene damals relativ vielfältig. Es gab in der Stadt je einen Bildhauer, Maler, Zinngießer, Kürschner, Uhrmacher, Säckler, Glaser, Buchbinder und Büchsenmacher, dann je zwei Sattler, Drechsler, Kessler, Binder, Färber, Kupferschmiede und Rader. Von den drei Barbieren war einer ein Baronqueur, der sich auf den Aderlass und das Schröpfen spezialisiert hatte und daher zumindest als halber Arzt galt. Auch die Schlosser- und die Maurermeister waren zu dritt, einer davon war der Stadtmaurermeister. Von den vier Hafnermeister hatte einer den Brennofen in der Nähe des Kapuzinerklosters. Die vier Weiß- und zwei Rotgerber hatten ihre Werkstätten vor allem im Oberdorf oder sonst irgendwo entlang der sogenannten Bürgerwiere, die zwischen der Rienz und den Häusern des Oberdorfes angelegt war und vor allem die dort liegenden Handwerksbetriebe mit Wasser versorgte. Die vier Hutmacher und die vier Weber waren vom Wasser weniger abhängig als die fünf Schmiede und die ebenso zahlreichen Müller. Die Sau- oder Johannismühle lag gleich neben dem Widum, die Spitalmühle beim Spital in Außerragen und die Stiegenmühle an der Stiege am Westende des Oberdorfes. Diese Mühle wurde bei der Überschwemmung im Jahre 1882 von der Rienz weggerissen und nicht wieder aufgebaut. Die Lage von zwei anderen Mühlen ist nicht bekannt. Von den fünf Schneidern waren vier auf das vierte Stadtviertel konzentriert. Nur einer hatte seine Werkstatt im ersten Viertel und verrichtete nebenbei den Mesnerdienst in der Rainkirche. Ebenso zahlreich wie die Schneider waren die Tischler, während die Schuhmacher gar zu sechst waren. Am zahlreichsten waren die Zimmerer unter den Handwerkern vertreten (8), woran man erkennen kann, dass das Holz als Baumaterial auch im 18. Jahrhundert noch den Vorrang vor Stein und Mörtel hatte. So wie es einen Stadtmaurermeister gab, gab es auch einen Stadtzimmermeister. Sein Haus lag im dritten Viertel der Stadt.
Der Stadtmetzger, der die Fleischbank der Stadt zu führen hatte, wurde schon erwähnt. Es scheint zeitweise mindestens zwei weitere Metzger in der Stadt gegeben zu haben, in welchem Verhältnis sie zum Stadtmetzger standen, ist nicht bekannt. Dass in den Steuerlisten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts nur vier Wirte genannt sind, ist nicht so ohne weiteres zu erklären. Es müssten mehr gewesen sein. Die Brauerei des Johann Kirchberger ist hingegen genannt, ebenso eine Apotheke. Dass die Stadt auch über einen Wegmacher, einen Kraxenntrager, einen Ordinaribriefträger und einen Rainturmwächter verfügte, zeigt, dass es auch früher schhon öfffentliche Dienste gab, an deren Funktionieren die Stadt interessiert war. (RT)