„Was wissen die Tiere?“

17. September: Halbmittag zum Thema „Schupfn“ in der Teßmann
13. September 2022
Bruneck – Sicherheit der Schulkinder
19. September 2022
Alle anzeigen

„Was wissen die Tiere?“

Die Toblacher Gespräche nehmen dieses Jahr das Thema: „Was wissen die Tiere?“ ins Blickfeld. Vom 30. September bis zum 2. Oktober beschäftigen sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Toblach mit Fragen zum Tierwohl, zur Tierethik und zu den Rechten der Tiere.

Der Puschtra hat von Matthias Gauly, Professor für Nutztierwissenschaften an der Freien Universität Bozen, der Forstwirtin und Jägerin, Julia Tonner und dem Blogger und Filmemacher, Daniel Felderer vorab einige Meinungen, Ansichten und Anregungen eingeholt.

Puschtra: Herr Professor Gauly, Sie werden bei den diesjährigen Toblacher Gesprächen an der Podiumsdiskussion: „Von Schmusekatzen, Mastkälbchen, Wachhunden und Jagdtrophäen“ teilnehmen. Warum haben Sie diesem Treffen zugesagt?
Matthias Gauly: Weil es ein wichtiges Thema ist, das mich persönlich und fachlich bewegt. Ich denke, dass es notwendig ist, dass wir uns verschiedene Positionen anhören (vielleicht gibt es sogar weniger Unterschiede als wir glauben) und diese diskutieren. Nur so können wir einen guten Weg finden und Verständnis für einander gewinnen. Das ist Teil unserer Kultur.

Welche Themen/Aspekte werden Sie in diese Diskussion mit einbringen?
Das wird sich sicher ergeben. Meine Aufgabe sehe ich u.a. darin auf reale Probleme hinzuweisen und möglich Lösungen anzubieten.

Sie sind überzeugt, dass die konventionelle Tierhaltung nicht mehr zukunftsfähig ist. Warum?
Ich bin davon überzeugt, dass sie in der gegenwärtigen Form nicht zukunftsfähig ist. Sie muss sich verändern. Übrigens sehe ich gleichermaßen Optimierungsbedarf im ökologischen Landbau. Im konventionellen Bereich brauchen wir vor allen Veränderungen aus Gründen der Umwelteffekte sowie des Tierwohls, das in einigen Bereichen nicht mehr unseren Vorstellungen entspricht. Die Prozesse sind zwar zum Teil eingeleitet, die Geschwindigkeiten sind aber mitunter zu langsam.

Welche Lösungen schlagen Sie stattdessen vor?
Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen. Dies geht von der Haltung (Platzangebot, Amputationen etc.) bis hin zu Transport und Schlachtung der Tiere. Gleichzeitig kann der Konsument mithelfen. Zahlungsbereitschaft ist ein wichtiges Thema.

Sie forschen zu Beziehungen zwischen Tiergesundheit, Tierwohl und Produktionssystemen. Wie beeinflussen sich diese Themen gegenseitig?
Die Umwelt in der Tiere leben, der Umgang den wir mit ihnen pflegen bestimmen ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Das ist bei uns nicht anders.

Was beschäftigt Sie in der aktuellen Diskussion um das Tierwohl am meisten?
Vieles, aber ich nenne einmal zwei Dinge: 1. wie gelingen uns notwendige Veränderungen in kurzer Zeit, ohne dass wir die Existenzgrundlage der Landwirte gefährden und 2. wie können wir damit verbundene Preiserhöhungen am Markt umsetzen. Verbraucher/Innen haben mit ihrer Produktwahl, d.h. Zahlungsbereitschaft einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entwicklungen.

Was kann jeder Einzelne und jede Einzelne von uns für mehr Tierwohl tun?
Bewusst einkaufen, bewusst konsumieren und aktiv mitdiskutieren.

Auch dem Thema Zucht und ihren funktionalen Merkmalen gilt Ihr Hauptinteresse in der Forschung. Wo steht die Forschung bei diesem Thema aktuell?
Ein abendfüllendes Thema. Einige funktionale Merkmale (z.B. aus dem Bereich der Eutergesundheit) sind schon lange Teil züchterischer Aktivtäten. Es gibt sehr spannende neuere Ansätze, die Aspekte der Gesundheit in den Mittelpunkt züchterischer Aktivitäten rücken. Ich sage aber auch als Züchter, dass wir nicht alle Probleme lösen können. Umwelt und Management sind oft viel wichtiger als die Genetik. Unser Augenmerk muss deshalb vor allem auf der Gestaltung der Umwelt liegen.

Sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, ist das die Zukunft der Menschheit?
Ich glaube nicht. Ich bin kein Ernährungsphysiologe, aber zumindest vegane Ernährung scheint für einige Gruppen (u.a. Heranwachsende, Schwangere) aus gesundheitlichen Gründen nicht empfehlenswert. Wir vergessen auch oft, dass es Regionen in unserer Welt gibt, in den die Erzeugung pflanzlicher Produkte nicht oder nur sehr schwer realisierbar ist. Aber, in unserer gut versorgten westlichen Welt, müssen wir unbedingt zurück zu einem bewussten Konsum. Dies u.a. aus Gründen des Tierwohls sowie aus unserem eigenen Interesse. Ernährungskrankheiten spielen ja eine erhebliche Rolle! Wenn wir also von den möglichen negativen Effekten einer veganen Ernährung sprechen, müssen wir ehrlicherweise vorher über die eigenen sprechen! Insofern bieten beide Ernährungsformen Alternativen an, die für bestimmte Gruppen zeitweise oder dauerhaft absolut positiv zu bewerten sind.

„Kein Tier hat es verdient,
nur ausgebeutet zu werden!“
Daniel Felderer lebt vegan. Der Meraner hat vor sieben Jahren durch Zufall den Speiseplan ohne Fleisch und Fischprodukte für sich entdeckt und setzt sich als Blogger und Filmemacher aktiv für Tierrechte ein und hat eine Vision: Die Menschen sollten auf das Töten von Tieren verzichten und sich rein pflanzlich ernähren. „Die Kernfrage für mich ist: weshalb missbrauchen wir immer noch Tiere für unsere Zwecke, obwohl wir sie für die Ernährung überhaupt nicht mehr brauchen. Vielfach werden Veganer als zu radikal abgestempelt. Ich behaupte das Gegenteil und sage: Es ist weitaus extremer Tiere auszubeuten, zu missbrauchen und zu ermorden. Und ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass die Menschen, denen ich begegnet bin, das auch verstehen und den Gedankengang nachvollziehen können. Wenn ich sie mit der Frage konfrontiere, weshalb legt eine Henne ein Ei, weshalb gibt eine Kuh Milch, dann bleibt nur mehr die logische Schlussfolgerung, dass die vegane Ernährung die einzig sinnvolle Art sich zu ernähren und zu leben ist“, ist Daniel Felderer überzeugt. Felderer wird bei der Podiumsdiskussion seine Forderungen bekräftigen.

„Ich weiß, was auf meinen Teller kommt!“
Julia Tonner ist Forstwirtin und leidenschaftliche Jägerin und wird bei der Podiumsdiskussion der Toblacher Gespräche dem Publikum ihren Blick auf die Jagd verdeutlichen. Die Jagd ist für Julia Tonner nicht nur eine Aufgabe, sondern eine Leidenschaft, die weit über das hinausgeht nur einem „Wild nachzugehen“. Die Bedeutung der Jagd ist laut Tonner eng mit unserer Gesellschaft und Kultur verbunden. „Der Mensch greift vom Talboden bis in die Höhe in die Natur ein, die sich nicht überall selbst regeln kann. Ein Beispiel dafür wäre unser Schutzwald, der vom Wild geschützt werden muss. Ebenso werden mit der Jagd artenreiche Wildbestände erhalten oder Lebensräume verbessert“, sagt Tonner. Dabei übernimmt die Jägerin Verantwortung für den Fleischkonsum, wie sie sagt, denn seit sie Jägerin ist, setze sie sich intensiv auch mit diesem Thema auseinander. „Als Jägerin ist es mir sehr wichtig, einerseits das lebende Wild mit Respekt zu erlegen und dann auch das Fleisch selbst zu verarbeiten und zuzubereiten. Dadurch weiß ich, was auf meinen Teller kommt: Ein Tier, das ein artgerechtes Leben hatte und durch die Jagd kein Leid erfahren hat.“ (TL)

Forstwirtin und Jägerin Julia Tonner verarbeitet und kocht das erlegte Wild selbst.

Daniel Felderer: Der Blogger und Filmemacher setzt sich aktiv für Tierrechte ein.

Professor Matthias Gauly erforscht Beziehungen zwischen Tiergesundheit, Tierwohl und Produktionssystemen.

Toblacher Gespräche „Was wissen die Tiere?“: 30. September bis 2. Oktober 2022
Konzeption: Wolfgang Sachs und Karl-Ludwig Schibel
In den Toblacher Gesprächen 2022 wollen wir – duldsam mit uns selbst – den heftigen Widersprüchen nachgehen, in die wir uns in unserem Verhältnis zu Tieren verwickeln. Einerseits verwöhnen wir unsere Haustiere, anderseits grillen wir Rindersteaks zum Abendessen. Einerseits sehen wir uns staunenswerte Naturfilme an, anderseits wissen wir, dass die meisten Nutztiere ein elendes Leben führen, bis sie auf unseren Tellern landen. Das ist das weite Feld der Tierethik, das in der Nachhaltigkeitsdebatte eine seltsame Rolle spielt; verdrängt und randständig bei vielen, lauthals und fanatisch bei (zu?) wenigen.