Lukas Schäfer aus St. Georgen
3. Oktober 2022
Der Ehrenburger Meilenstein
3. Oktober 2022
Alle anzeigen

Die Falken aus dem Ahrntal

Ahrntal – Ja, sie sind selten geworden in der Luft und auf den Startplätzen, die Drachen-Flieger! Sie sind zu den Exoten der Lüfte geworden. Zwei Puschtra Vereine segeln mit ihren Drachen seit mehreren Jahrzehnten durch die Lüfte und wollten mit einem Schnupperkurs das Interesse an der edelsten Art des Fliegens wieder wecken.

Ursprünglich wurden die Drachen, auch Hängegleiter genannt, von der NASA entwickelt, mit Hilfe des Fluggeräts sollten Astronauten von ihren Raumschiffen zur Erde zurückkehren können. Den ersten flugfähigen Drachen konstruierte der Amerikaner Barry Hill Palmer im Jahr 1961 anhand von Abbildungen in einer Zeitschrift. Das „freie Fliegen“ wurde in Südtirol 1973 durch Mike Harker aus den USA bekannt gemacht und obwohl das Fliegen mit dem „Rogallo-Drachen“ damals ziemlich primitiv und zudem sehr gefährlich war, fand das Drachenfliegen eine Vielzahl an begeisterten Piloten. 1976 organisierte der europaweit bekannte Falken Club Ahrntal in Sand in Taufers die ersten offiziellen Italienmeisterschaften mit internationaler Beteiligung, an der rund 170 Piloten teilnahmen. In Folge der Entwicklung des Drachenfliegens und seines Rettungssystems mit dem Fallschirm, kam in den 1980er- und 1990er-Jahren das Gleitschirm-Fliegen auf und verbreitete sich rasant. Einfacher zum Lernen, einfacher zum Fliegen, günstiger in der Anschaffung, locker zum Transportieren in Seilbahn und Sessellift per Rucksack – durch den Gleitschirm wurde Fliegen für Jedermann möglich. Doch das Drachenfliegern bleibt bis heute die Königsdisziplin der Luftsportgeräte: Das Gefühl wie ein Vogel zu fliegen, samt wendigen Flugmanövern, weite Strecken zu absolvieren, mit hoher Geschwindigkeit Täler zu überqueren, über die Gletscher zu segeln, auch gegen den Wind und in Sicherheit einem Wetter ausweichen gelingt nur mit einem Flugdrachen. Ein klassischer Drache besteht aus einem mit Stoff bespannten Flügel in einem stabilen Hauptgestell aus Aluminium. Mit etwa elf Meter Spannweite kommt dieser auf bis zu 18 Quadratmeter Auftriebsfläche. In der Regel wiegt ein Drache 25 bis 50 Kilogramm und kann für den Transport zusammengeklappt werden. Um in der Luft zu gleiten, nützen Drachen genauso wie Gleitschirme die dynamischen Hangaufwinde sowie die Thermik. Dadurch können Flughöhen von bis zu 5.000 Meter und Distanzen von mehr als 700 Kilometer erreicht werden.

Drachen verfügen über eine doppelt so hohe Gleitleistung wie Gleitschirme, in ruhiger Luft kann ein Drache für jeweils 100 Meter Höhe ein bis zwei Kilometer weit gleiten. Auch die Anbringung eines Motors, um unabhängig von Thermik an Höhe zu gewinnen, ist möglich. Die Steuerung funktioniert über die Verlagerung des Körpergewichts. Um die Flugrichtung zu steuern, wird die Trapezstange am Drachen verschoben und wie eine Art Steuerrad benutzt, zeitgleich müssen die Beine gestreckt in die andere Richtung geschoben werden, während Vor- bzw. Rücklage die Geschwindigkeit beeinflussen. Aufwinde und Thermik sind unsichtbar, daher verwenden viele Piloten ein sogenanntes Variometer, dieses Instrument zeigt die momentane Steig- oder Sinkgeschwindigkeit an. Die Messwerte können zusätzlich durch variierende Tonhöhe eines Piepens angegeben werden, was ein fliegen nach Gehör möglich macht. Bei der Landung wird die Fluggeschwindigkeit und -höhe so weit abgebaut, bis dank eines gezielten Strömungsabrisses eine sichere Landung im Stehen oder durch etwas Mitlaufen erfolgt.
Im Ahrntal hat das Drachenfliegen eine lange Tradition und wird bis heute ausgeübt. „Viele Flugbegeisterte, auch Gleitschirmflieger, möchten einmal das Hochgefühl des Drachenfliegens kennenlernen. In Südtirol gibt es allerdings kaum mehr Gelegenheiten dazu und keine Flugschulen, wo es gelernt wird“, sagt Karlheinz Ausserhofer, Präsident des ASV Falken Club Ahrntal. Um dem entgegenzuwirken organisierten die zwei Pustertaler Drachenflieger-Clubs, der Falken-Club Ahrntal und der DFC Pfalzen, einen kostenlosen Schnupperkurs für Interessierte am Drachenfliegen. Der dreitägige Drachenflug-Schnupperkurs fand vom 23. bis zum 25. September unter der Leitung einer in Italien zugelassenen Drachenflugschule und eines sehr erfahrenen Drachenflug-Instruktors in Luttach statt. Zudem hat der Drachenclub am 1. Oktober zum traditionellen Saisonabschluss, dem Ausfliegen, geladen. Wo auch in diesem Jahr wieder rund 50 Piloten aus Südtirol, Italien, Österreich und Deutschland gestartet sind. Mit dabei war auch der Präsident des DFC Pfalzen Karl Reichegger, er gilt als einer der Weltbesten Piloten und hält den Streckenrekord beim Ausfliegen im Ahrntal. Mehrstündige Flüge wie im Hochsommer sind bei der geringeren Thermik im Herbst nicht mehr möglich, die letzten Luftströme sollen für ein gemütliches „Ausgleiten“ ausgenützt werden. (MT)