Um herausragende wissenschaftliche Leistungen von Südtiroler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu würdigen, vergibt das Land Südtirol die Südtiroler Wissenschaftspreise. Der “Women in Science“ Preis 2022 ging an Professorin Christina Antenhofer. Im Interview spricht die gebürtige Bruneckerin über ihre Forschungen und die Rolle der Frau in der Wissenschaft.
Puschtra: Frau Antenhofer, Sie durften am 19. Dezember den Südtiroler Wissenschaftspreis Women in Science Award 2022 für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung entgegennehmen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Christina Antenhofer: Es ist für mich der bislang wichtigste Preis, da er meine gesamte bisherige wissenschaftliche Karriere auszeichnet. Da meine Forschungen eng mit der Europaregion Südtirol-Trentino-Tirol verbunden sind, ist diese Auszeichnung ein wichtiges Signal für die Wertschätzung meiner Arbeiten in der Region wie auch im internationalen Kontext.
Sie sind Professorin für Mittelalterliche Geschichte am Fachbereich Geschichte der Paris Lodron Universität Salzburg mit Schwerpunkten im Bereich der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Kulturkontakte im deutsch- und italienischsprachigen Kulturraum. Können Sie uns einen Einblick in Ihre Forschungen geben, an die sich der Wissenschaftspreis richtet?
Wenn ich in zwei Worten sagen soll, was mich in meinen Forschungen antreibt, so sind es die Menschen und ihre Geschichten. Als Mittelalterhistorikerin begegnen mir diese Geschichten vor allem in Form von historischen Quellen, wobei ich mich insbesondere mit Briefen und Inventaren, also Verzeichnissen von Besitz, befasst habe. Diese Quellen eröffnen Einblicke in die Alltags- und Sozialgeschichte darüber, dass wir wie durch ein Schlüsselloch in vergangene Häuser und das Leben der Menschen dort blicken. Menschen und ihre Geschichten, Beziehungen zwischen Frauen und Männern und zwischen dem italienischen und deutschen Sprachraum sind die gemeinsame Klammer aller meiner Forschungen. Vor allem habe ich mich mit fürstlichen Familien befasst, insbesondere den Gonzaga, Sforza, Visconti, Wittelsbach, Habsburg, Württemberg, Tirol und Görz. Heuer sind zwei große Projekte bewilligt worden. Das FWF Projekt „Inventaria“ (P 35988) zu Tiroler Burginventaren des Spätmittelalters und das vom Land Salzburg geförderte Projekt „Hohensalzburg digital“. Hier werden digitale Methoden verwendet, um historische Räume auf Burgen, deren Ausstattung und Funktionen zu rekonstruieren und darüber Burgen als Lebensorte sichtbar zu machen.
Aus welchen Archiven stammen die historischen Quellen, die Sie für Ihre Forschungen ausgewertet haben?
Besonders wichtig sind das Tiroler und Südtiroler Landesarchiv, das Salzburger Landesarchiv und das Archiv der Erzdiözese Salzburg, das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, das Geheime Hausarchiv in München, das Hauptstaatsarchiv in Stuttgart, das Archivio di Stato di Mantova und das Archivio di Stato di Milano sowie die Archives Nationales de France in Paris.
Warum sind es vor allem die Frauen, denen Sie sich in Ihrer Forschung widmen?
Ich befasse mich mit Familien und Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Dass sich daraus vielfach der Fokus zu den Frauen verschoben hat, liegt daran, dass sie weit weniger gut erforscht sind als Männer und dass es zu vielen Frauen falsche oder negative Vorstellungen gibt, die durch die ältere Forschung entstanden. Leider beherrschen diese falschen Vorstellungen häufig noch unseren Blick auf Frauen, nicht nur in der Geschichte. Hier besteht sehr viel Bedarf an neuen Forschungen mit aktuellen und differenzierten Perspektiven.
Wie beurteilen Sie die heutige Rolle der Frau in der Wissenschaft?
Frauen haben es in der Wissenschaft wie auch in anderen Berufen immer noch vergleichsweise schwerer als Männer, insbesondere, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Die gläserne Decke ist nach wie vor präsent und so sehen wir etwa in den Geisteswissenschaften zwar meist sogar mehr exzellente weibliche Studierende und junge Nachwuchswissenschaftler:innen, doch die Zahlen ändern sich dramatisch, je weiter die Karrieren voranschreiten. Hier ist noch sehr viel Unterstützung notwendig, um den Anteil von Frauen in führenden Positionen weiter auszubauen. Diesen Preis verstehe ich hier auch als ein Zeichen, die Sichtbarkeit von Frauen in der Forschung zu erhöhen.
(TL)
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