Der Trialog ist im Jahr 1989 in Hamburg aus einem Psychoseseminar heraus entstanden, mit dem Ziel einer gesprächsarmen Psychiatrielandschaft entgegenzuwirken. Seit 2015 finden trialogische Treffen auch in Südtirol statt. Betroffene, Angehörige und Fachpersonen sprechen einmal monatlich in Bruneck und Brixen gemeinsam über psychische Gesundheit.
Es sind Begegnungen auf Augenhöhe bei dem krisenerfahrene Menschen, deren Angehörige und professionelle HelferInnen Erfahrungen zu bestimmten Themen austauschen. Dies ist die Idee der trialogischen Treffen, die in Bruneck und Brixen veranstaltet werden. Gegenseitige Wertschätzung, Offenheit und Vertraulichkeit lassen es zu, dass es zu echten Begegnungen und einem tieferen Verständnis von psychischer Erkrankung kommen kann. Zwei trialogische Treffen, das erste in Bruneck und das zweite in Brixen, haben bereits stattgefunden. Dorothea Passler, Vorsitzende der trialogischen Kerngruppe, Ex-In Genesungsbegleiterin für psychisch Kranke, sowie Mitglied im KVW-Bezirk-Pustertal, erzählt im Interview mit dem Puschtra über die Ziele der trialogischen Treffen und die Erfahrungen aus diesen ersten Zusammenkünften.
Puschtra: Frau Passler, wie kam es zur Reihe der trialogischen Treffen für Psychische Gesundheit?
Dorothea Passler: Der KVW- Bezirk Pustertal hat in den Jahren 2021/22 eine 6-reihige Diskussionsreihe zum Thema „Gesunde Psyche – Warum reden so wichtig ist“ abgehalten. Die sehr gut besuchten Abende haben uns gezeigt, dass der Bedarf nach weiterführenden Gesprächen sehr groß ist. Diese Erfahrung hat den KVW- Bezirk Pustertal und den Verein Lichtung veranlasst, mehrere VertreterInnen von Südtiroler Institutionen und Verbänden einzuladen, um über die Einführung eines Trialoges zu sprechen. Das Interesse war bei allen Beteiligten sehr groß. Aus diesem Treffen hat sich eine Kerngruppe von acht Personen herausgebildet, die dann die trialogischen Treffen in Bruneck und Brixen ins Leben gerufen haben. Neben VertreterInnen der unterstützenden Institutionen gehören dieser Kerngruppe auch mehrere EX-IN GenesungsbegleiterInnen an, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen einen großen Mehrwert für solche Treffen bedeuten. EX-IN kommt vom Englischen und bedeutet „Einbeziehung Psychiatrierfahrener in die psychiatrische Arbeitswelt“, bei der Menschen, die selbst seelische Erschütterungen erlebt haben in einem einjährigem Lehrgang darin geschult werden, anderen durch ihre positive Bewältigungsgeschichte Hoffnung auf Genesung zu vermitteln.
Was sind die Ziele solcher Treffen?
Das Ziel des Trialoges besteht in erster Linie darin, diese Tabuthemen in die Gesellschaft zu bringen und Betroffenen und Angehörigen in einem geschützten Raum eine Stimme zu verleihen. Es ist eine Gesprächskultur, bei der nicht übereinander, sondern miteinander gesprochen wird. Die TeilnehmerInnen der verschiedenen Interessensgruppen sprechen ausschließlich von den eigenen persönlichen Erfahrungen. Ich selbst habe den Trialog während meiner Ausbildung zur EX-IN Genesungsbegleiterin kennengelernt. Ich war bei mehreren solchen Treffen dabei und war jedes Mal beeindruckt, welche Energie und Stärke von den einzelnen TeilnehmerInnen ausgehen. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und ein voneinander Lernen, wodurch ein neues Verständnis für die verschiedenen Sichtweisen möglich wird.
An wen richtet sich dieses trialogische Angebot?
Das Angebot richtet sich, wie gesagt an Betroffene, Angehörige und Fachpersonen im Bereich psychische Gesundheit. Aber zu diesen Treffen ist jeder und jede Interessierte eingeladen. Das bedeutet die Treffen sind für jeden offen und das soll auch so sein. Ich glaube nämlich, dass inzwischen jeder in seinem Umfeld jemanden kennt, der irgendwann in seinem Leben von einer Krise betroffen ist.
Zwei trialogische Treffen haben schon stattgefunden, das erste am 9. Februar in Bruneck und das zweite, vor kurzem, am 9. März in Brixen. Können Sie uns einen Einblick geben, wie so ein Treffen abläuft?
Wie gesagt finden die Treffen grundsätzlich auf Augenhöhe statt, deshalb bilden wir in den Räumlichkeiten, wo die Trialoge abgehalten werden, einen Kreis, wo jeder und jede einen Platz einnehmen kann. Jedes Treffen hat ein bestimmtes Thema, das zu Beginn der Veranstaltung von einem Moderatorenteam kurz eingeführt wird. Dann kann jeder im Raum völlig frei von seinen Erfahrungen sprechen, wobei nichts bewertet wird. Jeder und jede kann sprechen, kann aber auch nur zuhören. Es herrscht ein wertschätzendes Gesprächsklima, in dem Vertraulichkeit und ein respektvoller Umgang mit den berührenden Geschichten sehr wichtig sind. Zum Schluss wird immer noch danach gefragt, welche Themen für die Gesprächsgruppe wichtig wären. Diese Vorschläge werden dann gesammelt und bei den weiteren Treffen berücksichtigt.
Welche Erfahrungen haben Sie aus diesen beiden Veranstaltungen mitgenommen?
Das erste Treffen, das unter dem Thema „Was mir schon geholfen hat“ stand, wurde vom Präsidenten des Vereins Lichtung Thomas Karlegger moderiert. Zu Beginn gaben betroffene Personen berührende Einblicke in ihre gelebten Erfahrungen. In unterschiedlichen Formen berichteten sie von den Wendepunkten, die sie immer wieder aufstehen ließen. Auch Angehörige erzählten von ihren Sorgen und Ängsten um das betroffene Familienmitglied und von den Strategien, die sie entwickelt haben, um einen möglichst guten Umgang mit der Krankheit zu pflegen und dabei auch die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen. Auch die Fachpersonen sprachen von ihren Ressourcen und Kraftquellen, die ihnen dabei helfen, ihren oft schwierigen Berufsalltag zu bewältigen. Der anschließende Umtrunk, bei dem weitere Erfahrungen ausgetauscht wurden hat gezeigt, wie groß das Bedürfnis nach Gesprächen mit Gleichgesinnten ist.
Wie gut waren die Treffen besucht?
Das erste Treffen in Bruneck hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Es sind 69 Personen gekommen, von denen ca. die Hälfte Betroffene, ein Viertel Angehörige und der Rest Fachpersonen und Interessierte waren. Der 1. Trialog in Brixen, der am 9. März unter dem Thema „Wie erkenne ich meine gesunden Anteile“ stattfand, war mit 24 Personen etwas weniger gut besucht. Trotzdem wurde er von den TeilnehmerInnen als sehr interessant und hilfreich bewertet.
Jedes Treffen steht unter einem anderen Thema, zu dem sich die TeilnehmerInnen mit ihren Erfahrungen austauschen können. Können Sie uns einen Einblick in diese Themen geben?
Ja, die Themen werden anfangs von der Kerngruppe zusammengestellt und wie bereits erwähnt auch in den trialogischen Treffen gesammelt, so lautet z. B. das nächste Thema in Bruneck: „Mein Selbstwert und ich, wie kann ich mich gut um ihn kümmern“.
Finden Themen zur psychischen Gesundheit Ihrer Meinung nach genügend Aufmerksamkeit in Südtirol?
Obwohl sich die Lage in den letzten Jahrzehnten etwas gebessert hat, gibt es noch viel zu tun, um das negative Bild und die allgemeinen Vorurteile in den Köpfen der Menschen abzubauen. Dafür braucht es Menschen, die zu ihren Krisen stehen und durch ihre Offenheit zeigen, dass sich für eine psychische Erkrankung niemand schämen muss.
Dank vieler Vereine und Verbände gibt es inzwischen neben den professionellen Hilfen ein großes Netzwerk an alternativen Angeboten im Bereich Prävention und Hilfe zur Selbsthilfe. Neben der Notfall- und Telefonseelsorge und den landesweiten Selbsthilfegruppen ist der Trialog nun ein weiterer Baustein, der Menschen in schwierigen Lebenslagen auffangen und begleiten kann.
Laut Experten hat die Pandemie Probleme, die im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit stehen, verstärkt. Wie sehen Sie das?
Das kann ich nur bestätigen! Unsicherheiten, Zukunftsängste und vor allem auch die Einsamkeit haben durch Corona stark zugenommen. Ein gesellschaftlicher Zusammenhalt ist daher wichtiger denn je, d. h. es braucht immer mehr Menschen, die hinschauen und frühzeitig Hilfe anbieten, wenn es jemanden nicht gut geht.
Das letzte geplante Trialog-Treffen findet am 8. Juni 2023 in Brixen statt. Wie geht es weiter?
Weitermachen werden wir auf alle Fälle. Die Treffen sollen eine dauerhafte Einrichtung werden, die nach einer kurzen Sommerpause im September wieder starten werden. Bis dahin werden die Treffen weiterhin monatlich, abwechselnd in Bruneck und Brixen, von 18.30 bis 20 Uhr stattfinden. (TL)
Info: Die Trialogischen Treffen sind eine Initiative des Verbandes Ariadne – für die psychische Gesundheit aller EO in Kooperation mit dem Verein Lichtung, dem KVW-Bezirk Pustertal, der Dienststelle für Selbsthilfegruppen, den Psychiatrischen Diensten Bruneck und Brixen sowie den Bezirksgemeinschaften Pustertal und Eisacktal. Sie werden von der Autonomen Provinz Bozen unterstützt. Weitere Treffen: 13.4.2023 & 8.6.2023 (Bruneck), 11.5.2023 (Brixen). Bruneck: Alte Turnhalle am Rathausplatz , Brixen: Lachmüllerhaus.
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