„Mein ganzes Leben wurde von Gott getragen.“
Das Gebäude steht seit 1906, vor dem Haus mahnt das Wieser Kreuz zur Totenrast. Hier wohnt Monsignore Pepi Wieser. Kürzlich feierte er seinen 90. Geburtstag, wirkt geistig aber um Jahrzehnte jünger.
Msgr. Wieser, Sie strahlen jugendliche Lebensfreude aus …
Ich bin immer noch aktiv, helfe bei den Gottesdiensten, taufe, nehme die Beichte ab. Langweilig wird mir nie. Nur das Gehen bereitet mir Probleme. Beim Gottesdienst zu meinem 90er hielt ich selbst eine Predigt über den hl. Josef. Mit Freunden aus nah und fern, es waren 136 Leute gekommen, wurde mir ein schönes Essen und eine harmonische Feier bereitet.
Sie leben hier in Ihrem Elternhaus …
Ja. Mein Vater war Betriebsleiter beim E-Werk in Oberolang. Ich besuchte anfangs die Katakombenschule, später gab es eine zeitlang gar keine Schule. Jedenfalls konnte ich noch nicht fließend lesen und schreiben, als ich mit 14 zum Zeugschmied nach Bruneck in die Lehre kam. Berufsschule gab es nicht. In Bruneck besuchte ich bei der katholischen Jugend Heimstunden, für mich die einzige Möglichkeit, mich etwas fortzubilden. Wenn auch die Hauptausrichtungen Religion und Ethik waren, empfand ich ein großes Bedürfnis, etwas zu lernen. Ich ging immer gern zum Gottesdienst, betete viel. So entstand in mir die Sehnsucht, Priester zu werden. Als ich dies Mutti sagte, winkte sie ab mit der Bemerkung, dass diese Flause schon wieder vergehen würde. (lacht) Mein Problem war, dass ich mit 17 kaum eine Schulbildung hatte und nahezu mittellos war. Durch einen glücklichen Zufall hörte ich von der Aufbaumittelschule für Spätberufene in Stams, wo ich dann auch ohne Geldmittel aufgenommen wurde. In Stams lernte ich Latein und Griechisch – und endlich auch richtig Deutsch. Ich tat mich aber schwer und litt zudem an Heimweh. Die Prüfungen für das Untergymnasium musste ich in Wien absolvieren und kam dann nach Horn, wo ich 1956 maturierte. Das Kanisiuswerk unterstützte mich finanziell.
Wie ging es weiter?
Nach der Matura ging ich ins Priesterseminar nach Innsbruck und studierte an der theologischen Fakultät, die Vorlesungen waren nur in Lateinisch. 1961 feierte ich die Primiz in Olang. Da ich für meine Ausbildung durch Österreich finanziell unterstützt worden war, hätte ich es unfair gefunden, nun in Südtirol zu arbeiten. Also wirkte ich als erstes als Kooperator in Hippach im Zillertal. Nach zwei Jahren ergab sich die Möglichkeit, als Pfarrprovisor in die Landespfarre nach Innsbruck zu gehen und später dann Pfarrer von Maria Hilf in Innsbruck zu werden; dieses Amt sollte ich 35 Jahre lang ausüben. Mein Beruf bereitete mir große Freude und ich hatte einen guten Kontakt zu den Menschen, egal ob arm oder reich. Zudem wirkte ich als Studentenseelsorger für die akademische Verbindung Austria, als Studentenseelsorger für die Mittelschulverbindung Rugia, für den Landesverband der Mittelschule und 30 Jahre als Richter am Ehegericht. Ende der 1970er wurde mir der Titel Monsignore, „Kaplan seiner Heiligkeit“, den der Papst verleiht, zuteil.
Wann kamen Sie zurück nach Südtirol?
Mit 65 ging ich in Pension und arbeitete dann noch freiwillig und ehrenamtlich fünf Jahre als Domkurat in Innsbruck unter Bischof Stecher und Bischof Kothgasser. Mit 70 schließlich gab ich meiner großen Sehnsucht nach und kehrte wieder nach Olang zurück. Hier half ich weiterhin in der Seelsorge, feierte Gottesdienste und gründete eine Bibelrunde, die sehr gut ankam. Viele Leute kennen nämlich die Bibel nicht.
Was gibt Ihnen der Glaube?
Ohne Glaube wäre ich in meinem Leben nicht so glücklich geworden. Mit dem Glauben werden wir stark, unser Leben gewinnt an Freude und wir können in dieser Welt viel Gutes bewirken. Einfach hat es niemand. Auch ich musste durch viele schwierige Zeiten. Die Muttergottes hat mich geführt, getragen und herausgeholt aus dem Leid. Ich hielt mich an die Weisung von Jesus, wie er mit den Menschen umgegangen ist, mit so viel Liebe und Güte. Er hat nie einen Menschen verurteilt. Als Priester bist du da, um die Güte Gottes zu vermitteln und nicht, um zu Moralisieren.
Warum leeren sich heute die Kirchen immer mehr?
Ein Grund ist, dass die Leute die Bibel nicht kennen. Weiters, dass es keine geschlossene Gesellschaft mehr gibt, die einen trägt, sondern eine Ich- bezogene, die medial stark beeinflusst wird. Bischof Paulus Rusch sagte schon in den 1960ern voraus, dass der wachsende Wohlstand auch Gefahr mit sich bringt. Wir sind noch nicht reif, mit dem Reichtum umzugehen, es wird sinnlos konsumiert. Die Jugend muss wieder zu Werten hingeführt werden. Das dauert. Ich bin aber überzeugt, dass wieder eine tiefreligiöse Zeit kommen wird, es wird aber noch 50 Jahre dauern. Viele Leute heute wissen nicht, wie glücklich und wie stark der Glaube macht und wie friedvoll im Umgang mit dem Nächsten. Der Mensch braucht einen Halt. Ohne Glaube zu leben, hält niemand aus.
Ihre Botschaft an die Welt?
Dass die Menschen erfahren, dass man nur über den Glauben Frieden, Glück und Zufriedenheit erleben kann. Und die Zuversicht auf das himmlische Leben. Unser Hiersein endet nicht in einem dunklen Loch, sondern es erwartet uns wirkliche Glückseligkeit, wo sich alles Leid in Freude verwandelt. Ich wünsche mir, dass endlich Frieden herrscht. Krieg führen ist das Primitivste, das es gibt. Mit unserem Glauben können wir in dieser Welt viel Gutes bewirken. Wenn jeder so leben würde, wie Jesus es uns gezeigt hat, wäre die Welt in einem Tag friedlich. (IB)