„Musik kann alles bewirken: von Schweißausbruch über Schüttelfrost bis Trost.“
Erich Feichter ist ein musikalisches Multitalent. Sein Herz ist Percussion, sein Geist eine Geigenvariation und seine Seele eine schwebende Klangwolke.
Die Musik wurde Ihnen in die Wiege gelegt?
Ich konnte mich nicht dagegen wehren. (lacht) Wir waren acht Kinder, meine Mutter eine begnadetet Sängerin, mein Vater Chorleiter und Kapellmeister und daheim gehörte die Hausmusik mit üben und Konzertauftritten schon früh zu meinem Alltag. Später am Konservatorium in Innsbruck studierte ich Geige, Bratsche und Trompete als Nebenfach. Schon mit 18, noch vor dem Militärdienst, unterrichtete ich Geige und Orchesterleitung in Sterzing, Sand in Taufers, St. Johann und seit 1996 an der Musikschule Bruneck.
Sie widmen sich mehreren Ensembles …
Ich wirkte bereits in vielen Ensembles mit, von authentischer Volksmusik über Rock-Pop, Jazz, Blasmusik und Klassik. In den letzten Jahren waren vor allem zwei Ensembles prägend: Gemeinsam mit meiner Frau gründete ich die Volksmusikgruppe „di Vogaiga“ und „stringART“, das Kammerorchester des Collegium Musicum Bruneck. Bei „di Vogaiga“ spielt meine Nichte Anna Feichter Violine, meine Frau Ulli Mattle Cello und Harfe, Günther Hopfgartner Steirische Harmonika und Peter Paul Hofmann Kontrabass. Das Kammerorchester stringART stellt sich aus professionellen Musikern und Nachwuchsmusikern zusammen. Eine extreme Bereicherung für alle, wenn souveräne Prägnanz auf jugendliche Unbekümmertheit trifft.
Erklären Sie uns das Projekt „Zeitpunkt“ …
„Zeitpunkt“ war ein sehr bewegendes Projekt der Schreibwerkstatt der Südtiroler Krebshilfe in Zusammenarbeit mit stringART. Michaela Falkensteiner Schreibtherapeutin, sowie Anton Huber, Psychologe am Krankenhaus Bruneck, leiten das Projekt und sie ermöglichten mir, Teil dieser Gruppe zu sein und die Texte der Betroffenen zu vertonen. So entstand ein Crossover-Werk mit Instrumental- und Lied-Kompositionen und wurde im Herbst 2022 aufgeführt. Das Projekt beeindruckte mich sehr, da auch das Orchester in den Seelenzustand der Betroffenen eintauchte und wir uns gemeinsam in einem intensiven Prozess mit dieser nicht schwierigen Thematik auseinandersetzten.
Was inspiriert Sie zu komponieren?
Ich bin ein Mensch mit viel Energie und liebe es, mich in der Natur zu bewegen. Die besten Ideen fürs Komponieren fließen während einer Ski-, Berg- oder Mountainbiketour – da komme ich in einen regelrechten Flow. Von der Idee bis zur Entstehung einer Komposition läuft es oft recht rasch von der Hand. Da fällt mir ein: 2017 schrieb ich Maria Magdala, ein farbenreiches, fusionartiges Werk für Solosängerin, Streichorchester, Vibraphon, Schlagwerk, große und kleine Orgel. Oder 2011 das Auftragswerk des Südtiroler Chorverbandes „Wider das Vergessen“, ein Anti-Kriegsrequiem.
Welche ist „Ihre“ Musik?
Als Aufnahmeleiter bzw. Tontechniker arbeitete ich viele Jahre mit Musikern und Dirigenten quer durch alle Genres zusammen. Dabei lernte ich Menschen mit unterschiedlichsten Zugängen zur Musik kennen und Künstler, die immer wieder neue Ausdrucksformen und Klangfarben suchten. Ich habe also breitgefächerte Berührungspunkte. Musik muss mich in den Bann ziehen, egal ob Bach, Abba oder Kehrer. „Meine“ Lieblingsmusik hängt von der Stimmung ab, wo ich auch Schweißausbrüche oder Schüttelfrost bekommen kann. Musik bringt mir Ruhe und Entspannung, aber auch ekstatische Freude oder Trost in der Trauer.
Welche Projekte stehen an?
Im September 2023 steht ein neues Projekt mit stringART an, bei dem auch eine Komposition von mir mit Vibraphon und Streichorchester aufgeführt wird: ein Konglomerat aus Blues, Jazz und zeitgenössischer Klangwelt. Weiters präsentieren wir als „di Vogaiga“ im November eine neue CD. 2024 soll mein Requiem „Wider das Vergessen“ wieder aufgeführt werden. Ich denke, dass es gerade jetzt, in dieser spannungsgeladenen Zeit, eine gute Message wäre. Meine Idee ist, 2024 als Jahr im Zeichen des Friedens zu gestalten unter Einbindung vieler Institutionen in ein landesweites Friedensprojekt. Zudem planen wir im Frühjahr 2024 mit dem Projekt „Zeitpunkt“ eine Südtirol-Tour.
Was muss geschehen, damit junge Leute klassische Musik cool finden?
In den Jugendorchestern, die ich leite, stelle ich fest, dass die Jugend nach wie vor Spaß an Klassik findet. Es kommt auf die Mischung an, es sollten also neben Klassik auch aktuelle Musik in die Programme miteingebaut werden. Ja, es braucht neue, abwechslungsreiche Konzertformate. Ein alter Klavierprofessor sagte mir einst: Die Zukunft der Musik liegt u.a. in der Mischung von verschiedenen Musik- und Kunstformen. (IB)