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Die großen Beutegreifer ergreifen

Wolf und Bär sind wieder da. Sie reißen Nutztiere und geraten zum Dauerthema in der Bevölkerung.

In den letzten Jahrzehnten zogen Bär und Wolf sporadisch durch Südtirol und erregten kaum großes Aufsehen. Jetzt aber ist der Wolf im Pustertal wieder Dauergast und wöchentlich werden Risse gemeldet. Was sagt die Bevölkerung dazu? Wir befragten einige Bürgermeister des Pustertals.

Robert Alexander Steger, Bürgermeister von Prettau und Präsident der Bezirksgemeinschaft Pustertal, hat im Pustertal eine Petition zur Regulierung von Großraubwild gestartet, „um den legitimen Anspruch unserer Bevölkerung auf Schutz und Sicherheit, aber auch die über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft zu erhalten“, sagt er und fordert „Voraussetzungen zu schaffen, um Problemtiere zu entnehmen und die Population von Großraubwild zu regulieren.“ Bis 31. Juli kann die Petition in den Gemeinden des Pustertals unterzeichnet werden. Dann werden die gesammelten Unterschriften der Südtiroler Landesregierung, dem italienischen Umweltministerium und der Europäischen Union übermittelt.

Helmut Klammer, Bürgermeister von Ahrntal, meint: „Eines der größten Probleme in der Landwirtschaft und Almbewirtschaftung sehe ich in der Zunahme des Großraubwilds. Der Staat ist gefordert, schnellstens gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, ansonsten wird es schwierig, die Almwirtschaft aufrecht zu erhalten. Weiters stelle ich fest, dass die Bevölkerung Angst hat.“

Paul Niederbrunner, Bürgermeister von Mühlwald, hört immer wieder von Wolfrissen in seiner Gemeinde. „Der Raum für das Großraubwild ist bei uns viel zu klein.“ Es brauche regionale Lösungen wie sonst beim Jagdwild auch. „Die Bevölkerung ist verängstigt und sogar im Dorfbereich siehst du bei Einbruch der Dämmerung keine Jogger mehr, Einheimische gingen früher nach der Arbeit gerne spazieren, heute traut sich niemand mehr zum Waldrand.“

Walter Huber, Bürgermeister von Vintl, „die hohe Politik ist verpflichtet, akzeptable Lösungen zu finden, denn dem Raubwild darf nicht der Raum gegeben werden, wie es derzeit geschieht, die Population muss geregelt werden.“ Da Südtirol allein die Hände gebunden sind, fordert Huber eine Strategie auf nationaler und europäischer Ebene.

Thomas Summerer, Bürgermeister von Sexten, stellt in seiner Gemeinde eine kollektive ablehnende Haltung gegenüber Großraubwild fest. „Ich selbst bin Viehhalter und habe große Sorgen. Durch die intensive Präsenz des Großraubwildes wird sich die Landwirtschaft und mit ihr unsere Almlandschaft verändern, die ein großes Kapital für den Tourismus ist. Somit könnten auch dort Einbußen entstehen.“

Herdenschutz – eine Lösung?
Siegfried Holzer Tschurtschenthaler ist Ortsobmann des Bauernbundes von Sexten und Obmann der Alm-Interessentschaft Nemes Alm in Sexten. Bislang gab es hier noch keinen nachgewiesenen Wolf- oder Bärenriss. „Dazu betreiben wir einen riesengroßen finanziellen und arbeitsintensiven Aufwand“, erklärt der Obmann. „Wir haben 600 Rinder auf der Alm, über 50 Pferde und rund 220 Schafe und 50 Ziegen. Bei den Kleintieren betreiben wir Herdenschutz mit einer täglichen Behirtung mit Nachtpferch, aber ohne Herdenschutzhunde.“ Vier Hirten beaufsichtigen die Rinder und einer die Schafe. „Heuer erstmals haben wir mit der Eurac Bozen ein Pilot-Projekt für Herdenschutz laufen – das einzige in Südtirol. Durch das enge Einpferchen der Kleintiere ist der Befall von Parasiten wesentlich höher als in freier Beweidung. Andererseits hat man eine bessere Kontrolle über die Gesundheit und den Bestand der Tiere. Es ist das vierte Jahr, dass hier mit Aufwand Herdenschutz betrieben wird, aber es gab noch keinen Sommer, wo man hätte sagen können, dass es gut gelaufen ist. Letzten Sommer verließen uns Hirten mitten in der Saison.“ Es ist schwierig, geeignete Hirten zu finden. Zudem ist der bürokratische Aufwand für die Anstellung von Hirten enorm. Positiv hingegen sieht der Obmann die gezielte Beweidung der gesamten Alm. Der Aufwand an Personen, Geld und Zeit für den Herdenschutz ist aber immens und es bleibt die Frage, ob und wie lange dieser noch durchgeführt werden kann. Die hohe Politik ist gefordert. Um für Mensch und Tier eine vertretbare gemeinsame Daseinsform zu gewährleisten.
IB

Nachgefragt

zum Thema Großraubwild

Herr Dr. Dr. Gauly, Wie sehen Sie das Problem mit Wolf und Bär in Südtirol?
Ich sehe die Sorge der Menschen um die Zukunft der Tierhaltung am Berg und die Hilflosigkeit bei denen, die keinen Herdenschutz umsetzen können. Wie das tragische Unglück im Trentino gezeigt hat, geht immer eine Gefahr von Wildtieren und der Natur für den Menschen aus. Ich kann mich selbst an eine sehr kritische Begegnung mit einer Horde ferkelführender Wildsauen in Deutschland erinnern. Die Gefahr darf man also nicht unterschätzen, aber auch nicht überbewerten.

Sollten die Landwirte vermehrt in Herdenschutz investieren bzw. wird da zu wenig getan?
Einfach zu sagen, dass Herdenschutz nicht überall umsetzbar sei ist zu kurz gegriffen. Es gibt Beispiele, wo es geht. Aber die Fragen sind doch: Wer kommt für die Investitionen bzw. Aufwendungen in Sachen Herdenschutz auf, wieviel soll investiert werden und haben Maßnahmen zum Herdenschutz gegen das Großraubwild Priorität vor anderen Zielen? Will sich die Gesellschaft z.B. zwei Hirten für die Betreuung von 100 Schafen leisten? Akzeptieren wir, dass durch einen wolfssicheren Zaun Wanderwege ausgegrenzt werden oder (und das ist wichtiger) Wildwechsel unmöglich werden und/oder Kleintiere in den Zäunen verenden? Leider sind Herdenschutzmaßnahmen auf vielen Almen bei uns nicht umsetzbar oder haben negative Nebenwirkungen.

Müssen wir erst wieder lernen, mit Großraubwild zu leben?
Ich glaube ja. Mit dem Großraubwild leben heißt aber auch, es zu regulieren. Auch das Reh- oder Rotwild wird reguliert. Ich setze auf die Vernunft aller Gruppen, sowohl der Landwirte als auch der des Natur-, Umwelt- und Tierschützers.