Das Paraclimbing ist seit vier Jahren die große Leidenschaft von David Kammerer. Seit heuer nimmt der 30-Jährige St. Lorenzner an Kletterwettbewerben teil – und holte bei der Italienmeisterschaft auf Anhieb Gold!
David wurde mit einem Proximalen Femurdefekt (PFFD) geboren, einer seltenen, angeborenen Fehlbildung des oberen Endes am Oberschenkelknochen, welcher stark verkürzt ist und weshalb David rechts eine Prothese trägt. „Ich gehe auf 35 cm hohe Stilettos“, scherzt er und erzählt: „Vor vier Jahren lud mich ein Kollege ein, im Boulderraum von St. Lorenzen klettern zu gehen. Es machte mir sofort riesigen Spaß und wenige Tage später kletterte ich schon in der Kletterhalle Bruneck. Seitdem hat mich die Leidenschaft voll gepackt. An der Prothese bringe ich einen speziellen Fußaufsatz an. Was mir an Steighöhe fehlt, gleiche ich mit spezieller Fußtechnik und Oberkörperkraft aus. Vom Fußgefühl her ist es wie in einem Skischuh zu klettern, ich kann damit aber sehr präzise steigen und auch die kleinsten Tritte benutzen.“
Teilnahme an der Weltmeisterschaft
Als wegen Corona auch das Klettern nicht möglich war, zog er sich auf Youtube Klettervideos rein und stieß auf die Paraclimbing-Weltcups. Fasziniert davon, wollte er unbedingt mehr von den Athleten und deren Klettertechnik erfahren. Nach dem Besuch eines Trainingslagers schließlich konnte er heuer am Italiencup und an der Italienmeisterschaft teilnehmen und holte in seiner Kategorie prompt Gold. Seit diesem Mai ist David nun Mitglied der italienischen Nationalmannschaft. Bei seinem ersten Weltcup in Salt Lake City (Utah, USA) holte er Bronze. Die Weltcup-Routen sind im Schwierigkeitsbereich 8A, 8A+. Inzwischen nahm er bei weiteren Weltcups teil und landete stets auf den vordersten Rängen. Vom 8.-10. August findet die Weltmeisterschaft in Bern (CH) statt – halten wir David dazu fest die Daumen!
Klettersport verbindet
„Als Para-Kletterer fragst du dich klarerweise, wo dein Limit ist, und sobald du wieder eine Schwierigkeitsstufe höher schaffst, ist es ein ergreifendes Gefühl. Speziell beim Wettkampfklettern habe ich die Möglichkeit an mein Limit zu kommen, denn hier werden die Routen speziell für meine Behinderung geschraubt. Generell das Schönste beim Klettern für mich ist die Klettercommunity. Es fühlt sich wie eine große Familie an. Kletterer:innen tauschen sich aus, geben sich Tipps und helfen sich gegenseitig weiter. Sogar beim Wettkampf sprechen wir gemeinsam über die Routen und deren Passagen. Ehrgeizig sind wir alle, aber bei unseren Wettkämpfen spüre ich keine Rivalität. Wir wollen alle einfach unser Bestes geben. Vor allem im Paraclimbing zeigen wir, dass jede:r, auch jemand mit einer Behinderung, diesen Sport ausüben und daran Freude haben kann.“
Klettern – ein geiler Sport!
„Klettern ist ein super Sport für jegliche Behinderung. Klettern lässt sich so gestalten, dass es jede:r probieren kann. Es gibt dir die Möglichkeit, dich ganz auf dich selbst und deinen Körper einzulassen. Gleichzeitig pusht es dich ungemein. Es spornt dich an, mehr zu trainieren und motiviert dich, dich zu verbessern. Plus ist es einfach eine pärige Gemeinschaft mit Leuten, die dieselbe Leidenschaft haben. Vor allem darf man sein, wie man ist – denn schwierig ist es für alle!“
Alpines Bergsteigen
Abgesehen vom Hallenklettern ist David auch am Fels und im alpinen Gelände unterwegs. Letztes Jahr kletterte er die Routen „Comici“ an der Großen Zinne und „Cassin“ am Preuß-Turm. „Das Coolste ist, dass wir vor dem Berg alle gleich sind, den Berg interessiert es nicht, ob du zu Fuß, mit Prothese oder blind an ihn herantrittst. Das Bergsteigen ist eine Auseinandersetzung mit dir selbst. Du lernst, mit schwierigen Situationen umzugehen, dich auf die Verhältnisse in der Natur einzulassen und dich zu verbessern. Als Achtsamkeitstrainer gefällt mir vor allem die mentale Herausforderung und wie wir das Erlernte in den Alltag mitnehmen können.
Achtsamkeitstrainer
Beruflich betreut David am Burger Hof in Prags Kinder und Jugendliche und arbeitet als Achtsamkeitstrainer. Er baut Meditation in einer bewegten erlebnisorientierten Pädagogik ein. In diesen Bereichen macht er auch Fortbildungen für Lehrer und Kindergartenfachpersonal, gibt Kletterkurse und arbeitet als Übungsleiter in der Kletterhalle Bruneck.
Seit heuer ist David beim Netzwerk für Inklusion „Ich will da rauf“ mit Schulungen für inklusive Klettergruppen dabei. „Ich hoffe, im Herbst mit zwei inklusiven Klettergruppen starten zu können. Denn mir hatte das als Kind schon sehr gefallen. Klettern ist eine super Sportart für Menschen mit einer Behinderung!“
IB
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