Sexten – Inmitten unberührter Natur die winterliche Landschaft zu genießen ist für viele Skitourengeher:innen der Grund für dieser Freizeitbeschäftigung. Sich im freien Gelände auf Skiern sicher zu bewegen verlangt allerdings einiges an Wissen und Übung. In Sexten gibt es mit dem ersten Skitourenlehrpfad Südtirols jetzt eine Möglichkeit, dieses Wissen rund um das Skitourengehen zu erlernen bzw. aufzufrischen.
Interview mit dem Bergführer Daniel Rogger
Skitourengehen hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren. Wie betrachten Sie diese Entwicklung?
Daniel Rogger: Ich habe festgestellt, dass während der Corona Pandemie sehr viele Menschen mit dem Skitourengehen begonnen haben. Viele von diesen haben mittlerweile aber auch schon wieder aufgehört oder unternehmen sehr wenige Touren im Gelände. Die Outdoorszene und somit auch das Skitourengehen hat in den letzten 20 Jahren sicher ordentlich zugenommen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass diese Freizeitbeschäftigung, seit die Pandemie mittelfristig angestiegen ist. Was in den letzten Jahren besonders auffällt ist, dass sich immer mehr Menschen auf bestimmte Hot Spots fixieren. Dieses Phänomen ist vor allem den sozialen Medien geschuldet. Während man zum Beispiel an den Dreizinnen von Menschenmassen umgeben ist, kann man an weniger bekannten Bergen nach wie vor einsam unterwegs sein.
Wie soll eine Skitour im freien Gelände geplant werden?
Die Basis zur Planung einer Skitour ist immer der Lawinenlagebericht. In Südtirol haben wir das Glück, dass hier einer der besten der Alpen gemacht wird. Anhand der Gefahrenstufe, der Gefahrenstellen und der prognostizierten Lawinenprobleme sollte dann eine entsprechende Route ausgewählt werden. Natürlich muss dann auf der Skitour eingeschätzt werden, ob die Bedingungen vor Ort so sind wie man sich das bei der Planung vorgestellt hat oder ob es eventuell sinnvoll ist die Tour abzubrechen.
Was gehört zur Standartausrüstung für Skitourengehen im freien Gelände?
Zur Standart-Notfallausrüstung gehören ein LVS-Gerät (Lawinen-Verschütteten Suchgerät), eine Sonde und eine Schaufel. Unbedingt mit dabei sein sollte ebenso ein kleines Erste-Hilfe-Set, eine Rettungsdecke oder ein kleiner Biwaksack. Je nach Tour und individuellen Vorlieben kann es außerdem sinnvoll sein, einen Helm oder einen ABS- Rucksack zu tragen.
Welche Fähigkeiten sollten Neulinge in dieser Freizeitbeschäftigung mitbringen?
Man muss gut Skifahren können! Es gilt: Wer eine schwarze Piste solide fahren kann, kann sich langsam an einfache Skitouren herantasten.
Glauben Sie, dass die Mehrheit der heutigen Skitourengeher:innen bei ihren Touren ausreichend vorbereitet sind?
Der Großteil der Skitourengeher:innen ist meiner Meinung nach relativ gut vorbereitet. Heutzutage wird zu diesem Thema gute Aufklärungsarbeit geleistet und deswegen machen sich die Menschen im Vorfeld Gedanken und stürzen sich nicht blind ins Vergnügen. Auffallend ist, dass die meisten bei Ausrüstung, Technik und Kondition auf einem Top Niveau sind, während bei Tourenplanung, Orientierung und Risikomanagement Mängel zu beobachten sind.
Jetzt wurde in Sexten, erstmals in Südtirol, ein Skitourenlehrpfad ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Der Tourismusverein Sexten wollte einen Winterwanderweg zur Roten Wand schaffen, dafür ist dieses Gelände allerdings suboptimal. Als Alpinschule Dreizinnen hatten wir dann die Idee dort einen Skitourenlehrpfad zu realisieren. Da wir solche Lehrpfade aus Österreich und Deutschland kannten, hielten wir es für eine gute Möglichkeit, um Einsteiger:innen für das Skitourengehen zu begeistern. Judith Villgrater vom Tourismusverein Sexten war bei der Umsetzung des Projektes „Skitourenlehrpfad Rotwand“ federführend. Der Tourismusverein zeichnet auch für die Finanzierung und Instandhaltung des Skitourenlehrpades verantwortlich. Gemeinsam mit dem Skigebiet 3 Zinnen Dolomites, von denen auch die Lawinenverschüttetensuchstation zur Verfügung gestellt wurde und dem Ausrüstungshersteller Pieps, die uns mit Grafiken für die Tafeln unterstützt haben, konnte dieses Projekt schließlich realisiert werden.
Was ist die Idee hinter diesem Projekt?
Diesen Skitourenlehrpfad sehe ich als win-win-Situation. In Italien ist es verboten auf Skipisten aufzusteigen und hier ist eine Möglichkeit geschaffen worden, wo Skitourengeher:innen, durch den Wald in einer lawinensicheren Zone, teils über ein präparierte Route, teils durch freies Gelänge aufsteigen und über eine Piste wieder Richtung Tal abfahren können. Zudem werden alle Basics, die zum Skitourengehen notwendig sind, erklärt. Diese Möglichkeit hat bei uns sicher gefehlt.
Wie ist der Skitourenlehrpfad ausgerüstet?
Der Skitourenlehrpfad verfügt über neun Schautafeln in drei Sprachen mit Themen wie Risikomanagement, Geh- und Spitzkehrentechnik und beschreibt Gefahren und Verhalten im Gelände. Der Lehrpfad ist auch mit einer automatischen Lawinenverschüttetensuchstation ausgerüstet. Hier kann die Kameradenrettung trainiert und für den Ernstfall geübt werden.
An wen richtet sich der Lehrweg?
Der Skitourenlehrpfad ist vor allem für Einsteiger:innen, die nicht alleine Skitouren im freien Gelände unternehmen können, interessant. Durch die automatische Suchstation ist der Lehrpfad auch für Experten attraktiv, da jeder der regelmäßig auf Tour unterwegs ist, mehrmals im Winter die Verschüttetensuche üben sollte. Außerdem hat sich der Weg bei den Einheimischen als Trainingsstrecke etabliert.
Welche Kriterien musste das Gelände für die Errichtung eines Skitourenlehrpfades erfüllen?
Der Lehrpfad führt entlang einer mäßig steilen Strecke, die hauptsächlich durch einen dichten Wald geschützt und somit relativ lawinensicher ist. Der erste Teil der sechs Kilometer langen Route ist präpariert, der letzte Teil wird entlang Markierungen im freien Gelände absolviert. Am Ziel angekommen erreicht man die Bergstation des Skigebiets und kann über eine Piste ins Tal abfahren.
Gibt es geführte Touren auf dem Skitourenlehrpfad?
Als Alpinschule integrieren wir den Skitourenlehrpfad oft in Einsteigerkurse. Gerade bei Mehrtagestouren mit Anfängern kann so am ersten Tourentag Basiswissen anschaulich erklärt werden.
Über welche Fähigkeiten verfügen die Teilnehmer:innen, die eine geführte Tour auf diesem Skitourenlehrpfad absolviert haben?
Hier bekommen die Teilnehmer:innen einen grundlegenden Einblick in Skitechnik, Verhaltensweisen und Risikomanagement im freien Gelände.
Interview mit Judith Villgrater, Projektleiterin des Skitourenlehrpfades vom Tourismusverein Sexten
Welche Rolle spielte der Tourismusverein Sexten bei der Realisierung des Skitourenlehrpfades in Sexten?
Judith Villgrater: Daniel Rogger ist mit der Idee, einen Skitourenlehrpfad zu realisieren, auf uns als Tourismusverein Sexten zugekommen und so haben wir das Projekt gemeinsam umgesetzt. Dabei wurden die neun Infotafeln zum richtigen Skitourengehen ausgearbeitet und die idealen Standpunkte entlang der Strecke definiert. Der Tourismusverein hat die Finanzierung des Projektes übernommen, unsere Außendienstmitarbeiter kümmern sich laufend um die Präparierung und Instandhaltung des Weges und der Lawinensuchstation.
Wie sieht es mit der Nachfrage von Gästen und Einheimischen für diesen Lehrpfad aus?
Der Skitourenlehrpfad ist bereits seit der vergangenen Wintersaison in Betrieb und so konnten spannende Rückmeldungen von Seiten der Einheimischen und Gäste eingeholt werden. Die Erweiterungs- und Ergänzungsvorschläge haben wir heuer umgesetzt und somit den Skitourenlehrpfad im Dezember 2023 finalisiert. Mittlerweile erreichen uns durchwegs positive Rückmeldungen und Anfragen von Gästen, so zum Beispiel von italienischen Alpenvereinen, welche den Lehrpfad gemeinsam mit ihren Bergrettern für Übungszwecke besuchen möchten. Die Alpinschule Drei Zinnen führt Gäste auf diesem Weg in den alternativen Wintersport ein. Für Einheimische bewährt sich der Skitourenlehrpfad als Trainingsstrecke, die in zwei Stunden, auf ausgeschilderten Wegen und mit Abfahrt über die Skipiste des Skigebiets 3 Zinnen Dolomites absolviert werden kann.
Erfahrungsbericht: abwechslungsreiches Gelände und gute Technikinfos
Manuel Watschinger hat vor vier Jahren mit dem Skitourengehen begonnen und bevorzugt deshalb noch leichtere Touren. „Gerne wähle ich Touren auf einfacheren Waldwegen, die zu einer Hütte oder auf eine Alm führen. Alpines Gelände meide ich, weil mir da noch die Erfahrungen fehlen“, sagt Manuel Watschinger. Sein Wissen über das Skitourengehen hat sich der Hobbysportler alleine beigebracht oder von Kollegen erfahren, mit denen er auf den Tourenskiern unterwegs war, erzählt er. Den neuen Skitourenlehrpfad, auf den Manuel Watschinger über die sozialen Medien gestoßen ist, hat der Sextner bis jetzt zweimal alleine bestritten. „Beim ersten Mal hatte ich noch mit der Beschilderung des Lehrpfades Probleme, da nicht ausreichend beschrieben war, in welche Richtung es gehen soll. Dies wurde aber bald vom Tourismusverein Sexten behoben.“ Der Skitourenanfänger hat sich bewusst Zeit genommen, die Lerntafeln übers Skitourengehen genau durchzulesen und ist von den Informationen durchwegs positiv überrascht. „Die Techniken und Gefahren beim Skitourengehen sind auf den Tafeln gut beschrieben. Sehr hilfreich war zum Beispiel die Information über die Steighilfe. Vor allem habe ich es auch toll gefunden, dass die Infos in drei Sprachen abgedruckt wurden. Die Lawinenverschüttetensuchstation konnte ich leider nicht ausprobieren, da ich alleine unterwegs war. Ansonsten finde ich auch das Gelände für Anfänger sehr gut gewählt, da es sehr abwechslungsreich ist. „Ich werde diese Tour sicher noch einmal mit ein paar Kollegen angehen.“
TL
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