Mühlen in Taufers – Es war ein bewegtes Leben, das Josef Beikircher vom Weber über den Gastwirt zum Elektrotechniker führte – und schließlich zum ersten Stromerzeuger im Pustertal.
Josef Beikircher wurde 1850 in Mühlen in Taufers geboren. Dass die Störweberei seines Vaters keine Zukunft hatte, erkannte er früh. Eine glückliche Fügung ermöglichte dem 17-Jährigen eine Ausbildung im Webereigewerbe in Innsbruck, der Vater war inzwischen verstorben. Zurück nach dem Studium baute Josef Beikircher in Mühlen Spinn- und Textilmaschinen und betrieb sie mithilfe eines Wasserrades, später zusätzlich mit einer Dampfmaschine. 1874 – also vor 150 Jahren – eröffnete er seine „Fabrik für Wollenstoffe und naturfärbige Loden“ und beschäftigte 15 Mitarbeiter. Der Beikircher-Loden war qualitativ sehr hochwertig, sogar Kronprinz Rudolf ließ sich 1882 daraus einen Jagdanzug nähen. Allerdings fehlte es Beikircher an Kapital, seinen Betrieb zu vergrößern und modernisieren. Josef Moessmer, ein Wiener Geschäftsmann, bot ihm 1885 an, sich als stiller Teilhaber an Beikirchers Firma zu beteiligen. Diese Geschäftsbeziehung stand allerdings unter keinem guten Stern und gipfelte darin, dass Moessmer sich Beikirchers Anteile am Betrieb und Heimathaus erwarb und 1893/4 die Firma nach Bruneck verlegte, wo sie heute noch als Lodenfabrik Moessmer besteht.
70 elektrische Lampen
Daraufhin zog Josef Beikircher mit seiner Familie nach Innsbruck, um dort sein Glück als Versicherungsagent und als Gastwirt zu versuchen. Zudem ließ er sich in Elektrotechnik ausbilden. Zwei Jahre vergingen, als sich anbot, in Mühlen einen Gastbetrieb zu übernehmen. Also kehrte er in sein Heimatdorf zurück und baute 1893 ein Wasserkraftwerk, das den Gastbetrieb und weitere Häuser mit Strom versorgte. 70 Lampen waren es, die erstmalig im Pustertal leuchteten! Es war die vierte, elektrische Stromerzeugungsanlage in Südtirol überhaupt, nach Gossensaß und Bozen (beide 1886) sowie Sulden (1892). Als Gastwirt war Beikircher jedoch nicht erfolgreich, der Betrieb wurde insolvent. Was aber blieb war sein Elektrowerk, das die finanzielle Basis für ein weit hoffnungsvolleres Unternehmen werden sollte.
Bau von Wasserturbinen
Endlich konnte sich Beikircher seiner großen Leidenschaft widmen: die Elektrotechnik. Aus den Einnahmen der Stromerzeugung erwarb er mehrere Grundstücke und errichtete eine Werkstatt. Und es dauerte nicht lange, bis der Unternehmer 1902 den Betrieb vergrößerte als „Maschinenfabrik, Gießerei, Licht-, Kraft- und Wasserinstallation, Elektrizitäts- und Sägewerk“. Seine Söhne Josef, Gustav, Emil und Eugen erhielten eine technische Ausbildung und halfen, den Betrieb zu konsolidieren. Die Firma widmete sich dem Bau von Wasserturbinen, Sägewerkmaschinen, Lastaufzügen, Antrieben für Kornmühlen sowie diversen Arbeitsgeräten und gewann Ansehen weit über die Grenzen. Beikirchers Rechen aus Stahl wurden sogar bis nach Russland exportiert.
Ein bedeutender Pionier
1901 fuhr das erste Auto im Pustertal, am Steuer saß Josef Beikircher. Die Benutzung der Straße von Bruneck nach Sand in Taufers erwirkte er sich jedoch erst nach jahrelangem Rechtsstreit, da diese eine sogenannte Concurrenzstraße und nicht für einen motorisierten Individualverkehr bestimmt war. Die Mobilität war zudem für den Warentransport seiner Firma essenziell. Deshalb setzte er sich für den Bau einer Eisenbahn von Bruneck nach Sand in Taufers ein und war dessen Gründungsmitglied. Die Bahn wurde 1908 eröffnet und transportierte Menschen und Waren bis 1957. Auch für die erste Busverbindung ins Ahrntal war Josef Beikircher Gründungsmitglied und Pionier. Wegen seines großen Ansehens war er in verschiedenen Gremien vertreten. Als Obmann für den Bau einer Schule im Bereich Pfarre (1909-12) ließ der Weitblickende ein für damalige Verhältnisse kolossales Gebäude errichten. Er sagte, das Haus des Wissens müsse nicht minder hoch wie das Haus des Glaubens sein, womit er die nebenan stehende Pfarrkirche (Turm ausgenommen) meinte. Nach dem Tod Josef Beikirchers 1925 führten seine Söhne und später sein Enkel und seine Neffen den Betrieb mit dem Bau von Pelton- Francis- und Kaplan-Turbinen weiter. Heute, nach drei Generationen, gibt es den Betrieb nicht mehr, das Gebäude in Mühlen in Taufers in seiner umstrukturierten Form aber steht noch.
IB
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